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REZENSION: Anna D. Quaas, Transnationale Pfingstkirchen. Christ Apostolic Church und Redeemed Christian Church of God. Frankfurt a. M.: Verlag Otto Lembeck, 2011.

von Moritz Fischer

Hiermit veröffentlicht die Autorin ihre gekürzte, sprachlich leicht überarbeitete Dissertationsschrift, die 2010 an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg eingereicht wurde.

Zwei Kirchen werden analysiert, die für die Pfingstbewegung Nigerias, des mit Abstand bevölkerungsreichsten Landes in Afrika, charakteristisch sind: die Christ Apostolic Church (CAC) und die Redeemed Christian Church of God (RCCG). Dieses Verfahren, zwei Kirchen nebeneinander darzustellen hat den Vorteil, dass sich durch den Vergleich die Unterschiede und Ähnlichkeiten der jeweiligen Kirche im Gegenüber zu ihrem Pendent schärfer herausarbeiten lassen. Es geht Quaas zudem darum, bei historischer Betrachtung die globale, genauer transnationale Identität dieser Pfingstkirchen, exemplarisch für einen ganzen Zweig der Pfingstbewegung, hervortreten zu lassen. Dies gelingt wiederum nur in Anbetracht des jeweiligen regionalen Migrationskontextes, in dem sie sich vor Ort entwickeln.

Bei der Frage nach dem „Selbstverständnis“ der Kirchen zeichnete Quaas während ihrer Tätigkeit im Forschungsfeld als teilnehmende Beobachterin 76 semi-strukturierte Interviews zwischen 2007 und 2010 digital auf, die sie übrigens sämtlich transkribierte und indizierte. Um die Interviews und diversen historischen Dokumente und Einzelinformationen, zu denen sie als teilnehmende Beobachterin kam, auszuwerten, verfolgt sie einen „diskursanalytischen Forschungsansatz“ (S. 25f; 34-37). Mit diesem methodologischen Vorgehen seien Dynamik und Fluidität der untersuchten Kirchen adäquat zu erfassen.

Es verwundert nicht, dass sie auf die Frage nach der „Identität“ von CAC und RCCG keine eindeutige Antwort im Sinne einer weiteren Zuschreibung gibt. Schaut man, wie sie genau hin, wer wie und aus welchen Motiven die jeweilige Entwicklung der beiden Kirchen mitbestimmt und beeinflusst, was jeweils als ihre Identität zu gelten habe, hat man es mit einer Fülle von Aussagen und Informationen zu tun, die zu sondieren und einander zuzuordnen sind. Wir treffen auf ein polyphones, fluides „Selbstverständnis“ im Plural und auf keine eindeutige Selbstaussage. Quaas erfasst Stück für Stück von dem Gewebe jeder der beiden Kirchen und beschreibt nur das, was – insofern selbstevident – als gesichert gelten kann. Sie weigert sich, CAC oder RCCG simpel typologisch innerhalb der Pfingstbewegung (oder der Afrikanischen Unabhängigen Kirchen) zu verorten und bestehende Festschreibungen zu bedienen. Allgemein sind beide Kirchen dabei auf jeden Fall dem Strom der Pfingstbewegung zuzurechnen. Mit dieser Zuordnung gibt sich die Autorin aber nicht zufrieden.

Worin besteht die methodologische Alternative, die Quaas verfolgt? Sie möchte Identitätskonstruktionen erkennbar machen, die CAC und RCCG einerseits von sich selbst erzeugen und die anderseits von anderen erzeugt werden. Sie tut dies anhand der Historiographien der beiden Kirchen und mittels der Äußerungen, die sie in Interviews sammelt und entsprechend ihrer Fragestellung auswertet: „Was lässt sich zur Genese dieser beiden Pfingstkirchen, zugleich in ihrem Ursprungs- wie in ihrem Migrationskontext, sagen?“

In den vier Hauptkapiteln geht sie zunächst (1.) auf die transnationalen Verflechtungen von CAC und RCCG ein, um dann (2.) nach „Wachstum und Spaltungen“ zu fragen. Beides macht, unübersehbar, das Wesen der derartigen Kirchen aus. Die Autorin geht dabei ekklesialen Weiterentwicklungen nach, die sich, je nachdem, „innerhalb“ und „außerhalb“ der „Ursprungskirchen“ nachvollziehen lassen. Im Endeffekt lassen sich aber weder eindeutige Bereiche eines „Innen“ oder eines „Außen“ noch lässt sich ein eindeutiger „Ursprung“ feststellen. Vielmehr sind historische Austauschprozesse zu beobachten, die sich zwischen Kontaktzonen abspielen. Es geht Quaas in ihrer Analyse gerade nicht darum, fixierbare Ergebnisse zu präsentieren. Sie möchte die fluiden historisch nachvollziehbaren Stränge aufzeigen, welche gerade in ihrer Verflochtenheit die Struktur derartiger Kirchen auszeichnen. Schließlich (3.) geht sie auf die Transnationalität von CAC und RCCG im deutschen Kontext ein, um (4.) die jeweiligen Propria der beiden Beziehungsgefechte herauszustellen.

Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die transnationale Entstehung dieser Kirchen, genauer gesagt ihrer Gemeinden, bei aller Unterschiedlichkeit, die sie untereinander haben, vielfach den Ausgangspunkt des ekklesiogenen Denkens und Handelns bildet. In ihrer Oralität und ihrer Medialiät liegen zwei weitere Identitätsmerkmale derartiger Kirchen, auf die nicht deutlich genug hingewiesen werden kann. Beides gehört zu den Ausgangsbedingungen für die Produktion von Fortsetzungsfolgen der globalen Verflechtungsgeschichte der Pfingstbewegung, an der CAC und RCCG mit ihren jeweiligen Selbsterzählungen teilhaben und Anteil geben. Diese Art und Weise der permanenten Selbstinszenierung gehört zu den Charakteristika der transnationalen Pfingstbewegung (S. 27). In ihren „Schlussüberlegungen“, dem fünften und letzten Kapitel (S. 370ff), stellt die Autorin vier Punkte heraus: (1) Fluide Strukturen, (2) Migration und Integration, (3) Globale Pfingstbewegung und (4) Reverse Mission. Damit sichert sie den Ertrag ihrer Forschung. Quaas gelingt es, mit ihrer Konzentration auf die strukturellen ekklesiologischen Fragen die aktuelle Debatte zur Pfingstbewegung am Beispiel von CAC und RCCG um einen entscheidenden Schritt weiterzubringen. Allerdings finden entscheidende Faktoren, welche auch zur Konstruktion des Raumes beitragen, in dem die Selbsterzählungen von Kirchen wie RCCD und CAC erklingen, weniger Berücksichtigung: Dazu zähle ich die Selbstinszenierung der Kirchen durch ihre Funktionsträger auf öffentlichen Massenveranstaltungen, mittels Healing-Ministries und Gottesdiensten, bei denen das kulturelle rituelle Repertoire Afrikas auflebt, mit dem die von Quaas präzise benannten Prozesse pfingstkirchlicher Selbstgestaltung vorangetrieben werden.

Ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein Personen- und Sachregister vervollständigen den positiven Eindruck einer insgesamt gediegenen Studie, die nicht nur hinsichtlich des reichen Materials, das verarbeitet wird, sondern auch methodologisch einhält, was sie verspricht.

 

ISBN: 978-3-87476-637-1
444 Seiten
Preis: €36,-
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Zuletzt verändert: 04.09.2013 21:16