Sie sind hier: Startseite Members webmaster REZENSION: Jörg Haustein und Giovanni Maltese (Hgg.), Handbuch pfingstliche und charismatische Theologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2014.

Artikelaktionen

REZENSION: Jörg Haustein und Giovanni Maltese (Hgg.), Handbuch pfingstliche und charismatische Theologie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2014.

von Uta Andrée

Mit dem Handbuch pfingstliche und charismatische Theologie von Jörg Haustein und Giovanni Maltese liegt ein Werk vor, das den Zugang zu theologischen Beiträgen von pentekostalen Autoren (und einer Autorin) aus dem angelsächsischen Bereich für den deutschen Sprachraum eröffnet. Die Herausgeber haben Texte von herausragenden Theologen der Pfingstbewegung zusammengestellt und sehr sorgfältig übersetzt. Besonders hervorzuheben ist die ausführliche Einleitung, die in Form einer Einordnung der präsentierten Beiträge einen kenntnisreichen und klaren Überblick über die Theologie der Pfingstbewegung insgesamt bietet. Schon diese ersten fünfzig Seiten des Handbuchs stellen einen wichtigen eigenen Beitrag für die theologische Debatte über Pfingsttheologie und den Dialog mit pentekostalen Theologinnen und Theologen dar.

Die Beiträge sind in sieben Kapiteln angeordnet, denen jeweils zwei bis drei Texte zugeordnet sind. Diese lauten: 1. Exegese und Hermeneutik, 2. Geschichte und Identität, 3. Pneumatologie und Soteriologie, 4. Geisterfahrung und Glossolalie, 5. Ethik und soziale Gerechtigkeit, 6. Ekklesiologie und Ökumene, 7. Mission, Eschatologie und interreligiöser Dialog. Kapitel 4 ist nicht nur formal das Zentrum der Sammlung. „Geisterfahrung und Glossolalie“ ist das einzige Kapitel, das nicht auch in jedem anderen theologischen Kompendium seinen Ort haben könnte. Von dort aus ziehen sich Zungenrede, Gaben des Geistes und die Betonung des Heiligen Geistes insgesamt als Dimension theologischen Nachdenkens durch alle Beiträge. Auch wenn nur Kapitel 4 dies explizit erwarten lässt, so sind doch alle Beiträge daran interessiert eine konsequent pneumatologische Theologie zu entwerfen. Manche Autoren sind dabei sehr damit beschäftigt sich an Vordenkern innerhalb oder außerhalb der Pfingsttheologie zu orientieren, sich abzugrenzen, sich ins Verhältnis zu setzen, während andere sehr klar von vornherein eigene Positionen beziehen, ohne diese in die großen und kleinen Diskursen einzuordnen. Diese Unterschiedlichkeit der Texte gibt einen interessanten Einblick, wie sehr die Pfingsttheologie auf der Suche und auf dem Weg ist. Das Handbuch bietet gleichsam den Blick in die Werkstatt einer theologischen Gemeinschaft, wobei das Bedürfnis nach Rückbezug bei einigen Autoren für die Verständlichkeit ihrer Texte weniger zuträglich ist und das verdunkelt, was sie an eigenem in das Werden einer Pfingsttheologie einzubringen haben.

Ein Problem, das weniger das Handbuch als mehr die Pfingstbewegung an sich betrifft, ist die Diskrepanz zwischen den theologischen Einsichten, die hier präsentiert werden, einerseits und der (impliziten) Theologie, die in Predigten und der inhaltlichen Gestaltung von Pfingstgemeinden zum Ausdruck kommt andererseits. Es bleibt auch nach der Lektüre dieses Bandes – wie bei vielen anderen Texten auf diesem Reflexionsniveau – die Frage offen, in wieweit die bekannten hier versammelten Theologen der Pfingstbewegung (Anderson, Yong, Kärkkäinen, Macchia u.a.) eigentlich die Theologie ihrer Kirchen repräsentieren. Für den Dialog mit der pentekostalen Bewegung und die angemessene Beschreibung des Phänomens der Pfingstkirchen wird der Rückbezug auf diese Texte nicht ausreichen. Umso mehr ist zu wünschen, das dem Handbuch ein weiteres Projekt folgt, das ebenso die Stimmen von Pfingstlern selber zu Wort kommen lässt, das sich aber mehr den Phänomenen und der Verkündigung dieser Bewegung widmet. Das Handbuch selber legt dieses nahe, wenn in einigen der Beiträge die Spannung zwischen einer eigenen pfingstlichen Theologie und dem Erbe der Abhängigkeit von evangelikalen und fundamentalistischen Denktraditionen aufgezeigt wird – so bei Terry L. Cross in seinem Beitrag zur Abgrenzung von Evangelikalismus und Pentekostalismus und bei Timothy Cargal, der meint, Pfingstchristentum würde seinen authentischsten Ausdruck finden, wenn es sich jenseits von Fundamentalismus und Moderne ansiedeln würde. Beide Autoren gehen sehr kritisch mit Verengungen in der Theologie der Pfingstbewegung um. Somit lassen einige Beiträge dieses Buches explizit erkennen, dass hier nur eine bestimmte pfingstchristliche Theologie nachgezeichnet ist, die selber nur eine Stimme in der innerpentekostalen Debatte um das theologische Selbstverständnis ist. Kurz: Wo sind die „bad guys“, diejenigen Theologen, die sich gegen Ökumene aussprechen, die bestimmte exegetische Methoden ablehnen, die einen moralischen Rigorismus vertreten, die in der Zungenrede eben nicht die Haltung der Demut erkennen (wie Gordon Fee es eindrucksvoll anhand von Röm 8 vorführt), sondern diese als Ermächtigung und Zeichen der alleinigen Erwählung durch Gott exklusiv verstehen.

Es ist gut, dass dieses Handbuch zunächst die Diskussion mit Vertretern der Pfingstbewegung anhand von anschlussfähigen Entwürfen einleitet. Sehr viel gewonnen wäre, wenn das Handbuch auch in pfingstlichen Kreisen selber wahrgenommen, kritisch rezipiert und in die Ausbildung eines theologischen Selbstverständnisses aufgenommen würde. Die Frage ist allerdings, ob die Anschlussfähigkeit der ausgewählten Texte an klassische theologische Debatten einer liberalen Theologie nicht gerade eine Sprache und ein Reflexionsniveau aufweist, die für die theologische Community der Pfingstler zumindest noch gewöhnungsbedürftig, wenn nicht verdächtig ist.

Um diese Anfrage noch einmal an einem Beispiel zu veranschaulichen: Ich habe in einem Seminar an der Universität Hamburg mit Studierenden (Lehramt Evangelische Religionslehre) einige Text aus dem Handbuch gelesen. Es eignet sich hervorragend für die Einführung in die Theologie der Pfingstbewegung. Man kann exemplarisch an einzelnen Themen die Diskussionsstränge sehr schön aufzeigen und erarbeiten. Allerdings fiel es immer schwer auf die Frage der Studierenden zu antworten: „Glauben denn das jetzt die Pfingstler so?“ Einerseits ist es ein ökumenischer Gewinn, die Texte des Handbuchs als Stimmen der Pfingstbewegung in Anspruch nehmen zu können, andererseits ist der Anspruch der Ökumene noch nicht eingelöst, wenn man eine Minderheit identifiziert hat mit der eine gemeinsame theologische Debatte möglich ist.

Einen weiteren Wehrmutstropfen – damit sei der großartigen Beitrag, den das Handbuch für das Verständnis einer pentekostalen Theologie und die künftigen Auseinandersetzungen damit, leistet, in keinster Weise geschmälert –  hat schon Michael Bergunder in seinem Vorwort benannt. Es sollte auch hier nicht unerwähnt bleiben, dass keine Beiträge afrikanischer und lateinamerikanischer Autoren oder Autorinnen in dem Buch erscheinen – lediglich ein Text stammt aus Asien, obwohl doch hier die Zentren der pentekostalen Bewegung heute vorzufinden sind und von dort die stärksten Impulse ausgehen und dort das größte Wachstum der Bewegung zu verzeichnen ist. Vielleicht kann auch hier ein weiterer Band diesem Mangel abhelfen. Das bliebe zu hoffen.

 

ISBN: 978-3-525-52201-1 (gebunden)
563 Seiten mit 1 Abb. und 1 Tab.
Preis: 89,99€
Weitere Verlagsinformationen...
Zuletzt verändert: 18.01.2019 12:51