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REZENSION: Die Pfingstbewegung und der Pluralismus der Kirchen. Evangelische Theologie, Heft 4/2009. Gütersloh: Kaiser.

von Yan Suarsana

ISSN: 0014-3502; 14,95€. Weitere Angaben auf der Verlagsseite ...

Das Themenheft Die Pfingstbewegung und der Pluralismus der Kirchen (Evangelische Theologie 69/4) versammelt vier Beiträge internationaler Experten, die den Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. In dieser Form lässt es sich weniger als Einführung, dafür aber umso mehr als lebendiger Überblick über zentrale Aspekte der Forschung zur weltweiten Pfingstbewegung verstehen, v.a. dann, wenn man den Band von hinten nach vorne liest. Die einzelnen Beiträge sollen daher in umgekehrter Reihenfolge besprochen werden.

Den Anfang macht dabei der Text Der Heilige Geist und der Pluralismus der Kirchen. Ein Stück pfingstlerische Anamnese des Religions-/Missionswissenschaftlers Theo Sundermeier. Darin erstellt er zunächst ein „theologisches Profil der Pfingstkirchen“ (S. 301), das die typischen Merkmale der Strömung zusammenstellt, darunter das Konzept der Geisttaufe, das auf die Bekehrung folgt und i.d.R. mit der Zungenrede als „unverbrüchliches Zeichen der Geistbegabung“ verbunden wird. Die Frage, weshalb sich die Pb. vor allem in Lateinamerika, Afrika und Teilen Asiens ausbreiten konnte, beantwortet Sundermeier mit seinem Konzept der „primären Religionserfahrung“ (S. 305), die keine Trennung zwischen Immanenz und Transzendenz kenne, und an die die pentekostale Frömmigkeit in erfolgreicher Weise anknüpfe. Zum Schluss propagiert der Autor einen „kreativen Pluralismus“ für die ökumenische Vernetzung der Konfessionen durch den

Heiligen Geist, der (wie es die Pb. vorgemacht habe) „nicht in Strukturen festgehalten werden kann“ (S. 310).

Diesen ökumenischen Vorstoß nimmt der pfingstliche Systematiker Frank D. Macchia in seinem Artikel Das Reich und die Kraft. Geistestaufe in pfingstlerischer und ökumenischer Perspektive auf. Darin zeigt er zunächst drei Perspektiven auf die Geisttaufe von verschiedenen Konfessionen auf: im Sinne einer „Wort-Ekklesiologie“ (S. 296) als Erneuerung durch den Glauben durch die Verkündigung des Evangeliums, einer sakramentalen Ekklesiologie als Ritus (Wassertaufe) und Initiationssakrament, sowie im Sinne der Pfingstler, die die Geisttaufe als Ausrüstung des Volkes Gottes „für seine prophetischen Aufgaben in der Welt“ (S. 297) ansehen. Vor diesem Hintergrund stellt Macchia die These auf, dass die pfingstliche Verbindung von Geisttaufe und Heiligung sowie von Geisttaufe und der letzten Ausgießung des Geistes am Ende der Welt eine „ökumenische Lehre von der Geisttaufe bereichern“ (S. 298) könne.

Eine Untersuchung zur Pb. in den USA liefert die Soziologin Margaret M. Poloma in ihrem Artikel Die Zukunft der amerikanischen Pfingstidentität. Die Assemblies of God am Scheideweg. Hier stellt sie die These auf, dass die „Kernidentität“ (S. 278) der weißen US-amerikanischen Pb., „die auf dem ‚Mystischen, dem Übernatürlichen und dem vorgeblich Wunderbaren‘ basiert“ (ebd.), durch die Annäherung zum Evangelikalismus in Gefahr geraten sei, als zunehmend „der rechte Glaube die rechte Erfahrung“ (S. 281) abgelöst habe.

All diese Ansätze erfahren in Michael Bergunders Text Der „Cultural Turn“ und die Erforschung der weltweiten Pfingstbewegung eine kritische Würdigung. Hier plädiert der Heidelberger Religionswissenschaftler und Missionswissenschaftler für eine diskurstheoretische Sicht auf das Phänomen: In der Frage zum Gegenstand der Pentekostalismusforschung präzisiert er seinen Ansatz eines „diskursive[n] Netzwerk[es]“ (S. 248), das durch formale Merkmale, also synchrone und diachrone (historische) Beziehungen verknüpft sei, und in dem „Fixierung nur als diskursive Artikulation“ (S. 249) verstanden werden könne. Bzgl. einer Historiographie der Pb. seien daher nicht die wesenhaften Ursprünge der Bewegung herauszuarbeiten, da diese häufig einem „strategischen Essentialismus“ (S. 255) geschuldet seien und der Identitätsfindung einzelner Gruppen dienten. Vielmehr gehe es darum, im Sinne von de Certeaus Prinzip der skripturalen Umkehrung, Ähnlichkeiten des diskursiven pfingstlichen Netzwerks zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem vorhergehenden Netzwerk in der Vergangenheit herauszustellen, um „die historischen Genealogien und Kontingenzen herauszuarbeiten“ (S. 255). Zuletzt weist Bergunder am Beispiel der AUK auf den Einfluss der Forschung auf ihren Untersuchungsgegenstand hin und betont im Rückgriff auf die sog. Orientalismusdebatte, dass „der wissenschaftliche Beobachter grundsätzlich in Interrelation zum Untersuchungsgegenstand steht“ (S. 263).

Fazit: Gerade der Umstand, dass die einzelnen Beiträge in ihrer theoretischen Herangehensweise divergieren und sich damit teilweise in zentralen Punkten widersprechen, macht den Wert dieser Publikation aus, illustriert sie doch die lebendige Diskussion, die sich im wissenschaftlichen Diskurs um die Pb. entwickelt hat. Auch die Tatsache, dass Gelehrte der verschiedenen Denominationen auf diese Weise in den Dialog miteinander treten, zeigt, dass der Band nicht bloß die Perspektiven der Ökumene reflektiert, sondern selbst ganz konkret einen Beitrag zur gegenseitigen Verständigung leistet.

 

Zuletzt verändert: 03.01.2011 10:38