Sandler, Willibald: Charismatisch, evangelikal und katholisch: eine theologische Unterscheidung der Geister. Freiburg im Breisgau u.a.: Herder 2021
von Leandro L.B. Fontana
Im Zentrum dieses Bd.s steht die Analyse eines neuartigen religiösen Phänomens, das bereits im Titel durch das kursiv markierte Bindewort „und“ angedeutet wird. Die Konjunktion verweist auf ein postkonfessionelles Phänomen (44), bei welchem die religionswissenschaftlichen Kategorien evangelikal, charismatisch und katholisch ineinander zu fließen scheinen. Dafür wird durchgehend das Akronym CEK verwendet. Um das Phänomen zu ergründen, wird jedoch auf Erkenntnisse und Methoden von sozial- oder religionswissenschaftlichen Disziplinen verzichtet (vgl. 334f.). Vielmehr wird das Augenmerk auf Erfahrungsberichte und Schriften prägender Gestalten dieser Bewegungen gerichtet sowie auf einschlägige theologische Debatten, die den von evangelikalen, pentekostalen und katholisch-charismatischen Bewegungen herbeigeführten Erneuerungen und Einsichten Rechnung tragen. Dementsprechend werden methodisch zwei Bewegungen herangezogen, an denen diese Tendenz festgemacht wird: das Gebetshaus Augsburg und die Loretto-Gemeinschaft (Wien), wobei Ersterem und dem in ihren Kreisen entstandenen Mission Manifest (Hartl/Meuser/Wallner 2018) insgesamt ein viel größerer Raum gewidmet wird. Fragen hingegen, die etwa die empirische Grundlage dieses Phänomens, demografische Aspekte, das soziale Umfeld dieser Akteur:innen, ihre gesellschaftliche Relevanz oder das proportionale Verhältnis zum Christentum in seiner Gesamtheit betreffen, werden nicht behandelt.
Ziel, Methode und die Hauptthese des Bd.s werden im Teil I – von insgesamt sechs Teilen – vorgestellt. Die zentrale Aussage besteht im emphatischen Plädoyer, „[…] dass und wie Erneuerungsbewegungen und Kirche einander brauchen (41)“. Dabei stellt der Vf. die Hauptthese auf, „dass sich in den geschichtlichen Anfängen der Evangelikalen, Pfingstler und Charismatiker authentisch christliche Gnadenerfahrungen auswirken, in denen Gottes Schönheit und Herrlichkeit aufstrahlt, ohne dass man es erst durch Entgegensetzungen profilieren müsste. Diese ‚Bewegungen des Heiligen Geistes’ wurden aber immer wieder durch eine dichotome Logik verunreinigt, die teils mit einer problematischen, infizierten Sprache übernommen wurde und teils aus einer falschen Kompensation von Erfahrungen des abwesenden Gottes resultierte (248)“. Diese Diagnose bzw. Hypothese ist insofern zentral, als sich dem Rezensenten sonst weder das Interesse des Vf. an der Genese dieser Bewegungen noch die Auswahl der Methode (s.u.) erschließen lassen. Als Grund für die Notwendigkeit einer solchen akademischen Auseinandersetzung nennt der Vf. die Weigerung der universitären Theologie, „sich auf [Menschen aus diesen Bewegungen] und ihre Erfahrungen und Anliegen einzulassen (41)“. Vor diesem Hintergrund tritt er als Moderator zwischen diesen beiden Lagern auf, zumal er einerseits biografisch vielerlei Berührungspunkte mit dem im Bd. analysierten Phänomen aufweist (vgl. Nachwort) und sich andererseits als Theologe und Hochschulprofessor dieser Herausforderung stellen will (42). Das gelingt dem Vf. insofern, als die Kritik in beide Richtungen durchgehend ausgewogen, sachorientiert und zielführend ausfällt. Damit leistet der Bd. einen konstruktiven, im deutschsprachigen Raum jedenfalls beispiellosen Beitrag zur Debatte über derartige Erneuerungsbewegungen und deren Verhältnis zur (katholischen) Kirche und Theologie.
Zur Verfolgung seiner Zielsetzung, nämlich „das Potenzial, wie auch Gefährdungen und Fehlentwicklungen aufzuweisen (36)“, entwickelt der Vf. eine Methode, die im Umgang mit diesen Bewegungen zur Unterscheidung der Geister dienen soll, um überhaupt Potentiale von Gefährdungen unterscheiden zu können. Mittels einer biblisch orientierten „Theologie des Kairos“ richtet er den Fokus auf „Anfangsereignisse [der genannten Bewegungen] und ihre Wirkungsgeschichte“, die als „[e]pochalen Gnadenkairoi“, d.h. als „Zeichen der Zeit“ oder außerordentliche „Gnadenzeiten“ gelesen werden und als „eschatologisch[e] Zeichen für das Gottesreich“ gälten (36). Dementsprechend werden in den Teilen I, II und III jeweils die evangelikale, die Pfingst- und die katholisch-charismatische Bewegung anhand „einer exemplarischen Auswahl von Bewegungen und Ereignissen“ aus deren Reihen (36) beleuchtet, die die besagte Theologie des Kairos untermauern. Dieser biblisch begründete Kriterienkatalog wird nicht zuletzt im Hinblick auf die Leserschaft, die der Vf. vor Augen hat, entwickelt, die auch ohne eine theologische Ausbildung in der Lage sein dürfte, die gesamte Argumentationslinie des Bd.s nachvollziehen zu können (42). An die Hand gibt der Vf. zudem ein Glossar, ein umfangreiches Namen- und Schlagwortregister und ein sehr detailliertes, zwölf Seiten umfassendes Inhaltsverzeichnis.
Im Teil II wird insbesondere die Frage nach der (theologischen) Sinnhaftigkeit einer Erweckung für den Glauben bzw. für die Gottesbeziehung behandelt. Nach einer kurzen begrifflichen Bestimmung geht der Vf. auf zwei geschichtliche Entwicklungen der Reformation ein, die seines Erachtens eng mit den Anfängen des Evangelikalismus zusammenhingen, nämlich den Pietismus und die Herrnhuter Brüdergemeine. Denn diese verkörperten das, was evangelikal im Wesentlichen bedeute, nämlich erwecklich (48), und darüber hinaus die von Martin Luther gewonnene und grundlegende Einsicht der Notwendigkeit einer Übereinstimmung von Leben und Lehre (51). Was bei diesen Bewegungen hingegen als problematisch angesehen wird, ist deren allzu moralisch geprägtes Sündenverständnis (58-59). Anhand von Figuren wie John Wesley (Methodismus) und Jonathan Edwards (Puritanismus) zeigt der Vf. anschließend auf, dass ungeachtet erheblicher Differenzen beide darin übereistimmten, „dass die Menschen mit schärfsten Mitteln aus einer trügerischen Selbstzufriedenheit aufgerüttelt werden mussten, um für die rettende und beglückende Gnade Gottes empfänglich zu werden (73).“ Aus dieser Einsicht geht eine erste rudimentäre, aber durchaus konsens- und tragfähige Begründung der Erweckung hervor. Eingesetzt worden seien dafür u.a. Gerichtspredigten und Aufforderungen, das Jetzt der Gnade wahrzunehmen. Weitere Fragen, die in diesem Zusammenhang erörtert werden, betreffen die Rolle der Freiheit bzw. des Entscheidungswillens (86) bei der Annahme der Gnade im Rahmen eines Kairos-Erlebnisses sowie den Status der ersten Bekehrung im Falle eines Abfalls von der Gnade Gottes zu einem späteren Zeitpunkt. Schließlich legt der Vf. anhand des Abschnittes „Dispensationalismus“ dar, wie der Evangelikalismus um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zunehmend von einem ursprünglich positiven Verhältnis zur Aufklärung und Wissenschaft (94) abgeglitten sei und sich fundamentalistischen Kreisen angeschlossen habe.
Teil III bietet einen kursorischen historisch-theologischen Überblick über die Pfingstbewegung, wobei hier nicht der Global Pentecostal-Charismatic Movement (vgl. Anderson u. a. 2010; Coleman/Hackett 2015) im Fokus steht, sondern vielmehr der evangelikale/protestantische Pentekostalismus. Gegliedert wird das Kapitel nach dem ebenso etablierten wie umstrittenen Drei-Wellen-Modell. Dementsprechend setzt der Vf. bei den wunderbaren Ereignissen in Topeka, Kansas, und an der Azusa-Street, Los Angeles, an. Der Beschreibung der „drei Wellen des Heiligen Geistes“ geht aber eine normative, auf Paulus gründende Begriffsklärung der Bezeichnung „charismatisch“ voraus, die der Unterscheidung der Geister dienen sollte. Wenn immer wichtige Stationen oder Protagonisten der Bewegung porträtiert werden, geht der Vf. auf zentrale theologische Fragen der Bewegung ein, darunter die Geisttaufe, die Geistesgaben (Charismen), die besonderen Gaben des Sprachengebets (auch Zungenreden oder Glossolalie genannt) und der Prophetie, Heiligung, ekstatische Erfahrungen, Heilung und die theologische Kategorie des Wunders. Besonders kritisch bewertet werden einige jüngste Entwicklungen innerhalb der sog. dritten Welle (der neocharismatischen Bewegung) wie z.B. die Prophetenbewegung (164f.), einige Aspekte der Theologie, die Gebetshäusern zugrunde liegt (ein triumphalistisches Kirchen- und Eschatologie-Verständnis; 167), die Wort-des-Glaubens-Bewegung (name it and claim it) und das Wohlstandsevangelium (177f.). Integriert in diesen Teil wird auch ein kurzer Abschnitt über die laut Vf. „katastrophalen Anfänge“ der Pfingstbewegung in Deutschland (130-135), die in Kassel mit der Gemeinschaftsbewegung ihren Anlauf nahm und durch die Berliner Erklärung schwer erschüttert wurde.
Ein sich bereits im Teil II abzeichnendes Defizit der vom Vf. angewandten Methode wird in diesem Teil offenkundig. Denn die ausgewählten Ereignisse und Akteur:innen sind ja Teil eines Narrativs der Pfingstbewegung, das die Azusa-Street-Erweckung genealogisch sakralisiert, die von Peter Wagner vorgelegte (vgl. Wagner 2003, 1141) Theorie der drei sich von den USA aus global ausbreitenden „Wellen des Heiligen Geistes“ unkritisch übernimmt und vornehmlich weiße, männliche, darunter auch sich als Nichtpentekostale bekennende Protagonisten in den Vordergrund rückt. Diese Erzählung ist aber alles andere als unbestritten (vgl. Anderson 2004; 2013; Chong/Goh 2015), nicht zuletzt auch in den USA selbst (vgl. Grey 2022). Mit Blick auf die Ursprünge, die geschichtliche Entfaltung und gegenwärtige Entwicklungen gehen einige Pfingstler:innnen so weit zu sagen, dass, gerade weil solche Narrative nicht hinreichend black und subversiv seien, sie weder dem US-amerikanischen noch dem globalen Pentekostalismus gerecht werden könnten (Millner 2022; vgl. auch Hollenweger 1986).. Vielmehr transportierten sie die Interessen einer „weißen Theologie“ und die Story des US-amerikanischen Exzeptionalismus (Grey 2022). Diese nichttheologischen Aspekte mögen zugegebenermaßen den theologischen Rahmen des vorliegenden Bd.s strapazieren. Vor diesem Hintergrund und gerade im Hinblick auf die im Bd. vertretene Kairostheologie stellt sich jedoch wenigstens die heilsgeschichtliche Frage nach dem topologischen (G.M. Hoff) Stellenwert von Großbritannien und den USA, da sich ja dem Bd. zufolge seit der Reformation alle epochalen Kairos- und Gnadenzeiten dort verdichtet hätten. Gäbe es denn keine erwähnenswerten Kairoi oder „Bewegungen des Heiligen Geistes“ im gesamten Globalen Süden? Oder, wie müsste das Wirken des Heiligen Geistes etwa bei der dritten Welle verstanden werden, wenn man die Geschichte tatsächlich umdrehen müsste, wie einige Untersuchungen unlängst suggeriert haben? Ihnen zufolge sollen Peter Wager, John Wimber und die (evangelikale) Fuller School of World Mission ihr Evangelisationskonzept erst dann verändert haben, nachdem sie in eine „intellektuelle Krisis“ und einen enormen Wettbewerbsdruck angesichts des Wachstums des globalen Pentekostalismus geraten waren, und nicht andersherum, wie im Bd. dargestellt (vgl. dazu exemplarisch Bialecki 2015).
Teil IV beginnt mit einer normativen, auf Henri de Lubac und dem 2. Vatikanum gründenden Definition des Kirchenprädikats „katholisch“. Gleichbedeutend mit allumfassend, stehe dieses Wort für inklusive Haltung, die keinerlei Abgrenzung oder Entgegensetzung beinhalten sollte (179f.). Anschließend wird das Wesen der katholischen Kirche mithilfe der vier notae ecclesiae (Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität) bestimmt und deren Verwirklichung in ihrer Sakramentalität festgelegt (181-185). Dies vorausgeschickt, nähert sich der Vf. einer theologischen Bestimmung des untersuchten Phänomens an, das im Zentrum dieses Bd.s steht, nämlich die CEK-Christen. Als Beispiele dafür werden zum einen das Gebetshaus Augsburg und zum anderen die Loretto-Gemeinschaft (Wien) herangezogen. Dies erfolgt anhand eines geschichtlichen Überblicks über die Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche seit ihren Anfängen in Duquesne (1967), in dessen Mittelpunkt die theologische Frage steht, ob die Charismatische Erneuerung als eine Bewegung neben anderen zu begreifen sei oder als die Erneuerung des Heiligen Geistes für die gesamte katholische Kirche (189-201). In diesem Abschnitt findet sich auch ein Abriss der Geschichte der katholisch-charismatischen Erneuerung in Deutschland (194f.). Schließlich zeichnet der Vf. die wichtigsten Stationen des ambivalenten Verhältnisses zwischen der katholischen charismatischen Erneuerung und der neocharismatischen Bewegung nach, allen voran der Propheten-, dem Toronto-Segen- und der Alpha-Kurs-Bewegung. Auch in diesem Teil bemüht sich der Vf. um wichtige Unterscheidungskriterien für (katholische) Erneuerungsbewegungen (201-210).
Teil V kann insofern als das Herzstück des Bd.s angesehen werden, als die dem CEK-Christentum zugrunde liegende und sich laut dem Vf. (41) in den zehn Thesen des Mission Manifest (MM) niederschlagende Theologie kritisch und ausführlich ausgewertet wird. Zu Rate gezogen dafür werden gelegentlich die Reaktionen der akademischen Theologie auf das MM, die im Sammelband „Einfach nur Jesus“ (Nothelle-Wildfeuer/Striet 2018) konzentriert vorliegen, wobei auch diesen Positionen die Kritik nicht erspart bleibt. Doch für die Entwerfung des intendierten Kriterienkatalogs zur Unterscheidung des Geistes sind ebenso die eigene Erfahrung des Vf.s im Umgang mit CEK-Christen von entscheidender Bedeutung wie sein biblisch begründeter, theologischer Ansatz. Hierin wird auch die Hauptthese ausformuliert (248), die der CEK-Bewegung ein enormes, aus der „Bewegung des Heiligen Geistes“ schöpfendes Potenzial attestiert, welches allerdings durch Tendenzen der Marktorientierung (277), polarisierende Profilierung (gegenüber nominellen Christen), Transzendenzersatztechniken (z.B. Goldenes Kalb; 274) und nicht zuletzt durch eine Verschiebung vom Wirken des Heiligen Geistes auf „menschliche Kraft und Anstrengung (260)“ gefährdet werde. Diskutiert werden in diesem Teil neben diesen letztgenannten Themen (270-283) auch der ambivalente Charakter eines Entscheidungschristentums – d.h. inwieweit die Lebensübergabe an Jesus Christus (durch den eigenen Willen) etwa im Rahmen eines Altarrufs überhaupt geleistet werden kann (224). Gleiches gilt für das dem MM zugrunde liegende Missionsverständnis und Weltverhältnis (230-251), die Adressaten wie die Mittel der Mission (Verkündigung, Heilungen, Caritas etc. 251-259), Bittgebete, insbesondere die Problematik nicht erhörter Bittgebete (259-270), das Verhältnis von Kerygma und Theologie (288-296) und die Gefahren einer „geistlichen Weltlichkeit“ (301-304). Die dabei insgesamt hart ausfallende Kritik an der Bewegung wird allerdings dadurch entschärft, dass CEK als eine „junge Bewegung“ eingestuft wird (236). Dementsprechend habe sie zwar Pathos, neue theologische Einsichten und vor allem eine völlig neue Dynamik ins Christentum hineingebracht, jedoch ihr Potenzial – theologisches wie spirituelles – längst nicht ausgeschöpft, weswegen sie von der Theologie und den traditionellen Kirchen begleitet werden solle (236-37).
Teil VI schließt den Bd. mit drei ergebnissichernden Hauptabschnitten ab. Während im ersten die größten Gefahren und Potenziale der CEK-Bewegungen zusammenfassend angeführt werden, wird in den zwei folgenden Abschnitten jeweils ein Plädoyer formuliert: eines für ein besseres Verhältnis zwischen Kirchen und Erneuerungsbewegungen und eines für einen fruchtbareren Austausch zwischen Erneuerungsbewegungen und (akademischer) Theologie. Dabei lassen alle drei Abschnitte ein eindeutiges Votum für die Anerkennung der CEK-Erneuerungsbewegungen und deren Integrierung sowohl in die individuelle christliche Frömmigkeit als auch in die Mainstreamkirchen und -theologie erkennen. Der vom Vf. erarbeitete Begriff, um den Mehrwert dieser Bewegungen nahezulegen, ist der der Vollendungserfahrung (310f.). Dieser umschreibe eine Grunderfahrung, die auch als neue Schöpfung, Wiedergeburt, anfanghafte Vorwegnahme der eschatologischen Wirklichkeit bezeichnet werden könne. Gerade mit Blick auf die Feier der Sakramente in der Kirche und damit eben auf die Verwirklichung der Kirche (s.o.) könne eine solche Erfahrung, die auch als „Salbung“ des Heiligen Geistes bezeichnet wird, den ganzen Unterschied machen, da die Sakramente dann nicht nur per se wirksam (ex opere operato) seien, sondern auch (im Leben der Gläubigen) fruchtbar (322f.). Im letzten Abschnitt wird die Theologie normativ als „Dienst an Kirche und damit auch an Erneuerungsbewegungen“ (326) bestimmt. Eine vom Heiligen Geist geleitete (326), ebenso am Schreibtisch wie auf den Knien betriebene (330), sich allen Lebenssituationen stellende (331f.), der Unbegreiflichkeit Gottes bewusste Theologie müsse daher eine kirchliche (335) und hörende (326-28) Theologie sein. Diese sollte sich nicht etwa von Erkenntnissen anderer Wissenschaften leiten lassen, um ein stimmiges, widersprüchliche Bibelpassagen ausblendendes Gottesbild zusammenzusetzen (334), sondern vielmehr von der „Erfahrungsgeschichte von Christen, christlichen Gemeinschaften und der Kirche“ (335).
Die mit dieser Bestimmung der Theologie zum Ausdruck gebrachte Kritik an einer Fremdbestimmung der Theologie durch andere Disziplinen und nicht zuletzt durch ein Übermaß an Interdisziplinarität ist sicher berechtigt und zum Teil auch notwendig – wobei die Frage nach der Sinnhaftigkeit oder gar Möglichkeit einer monodisziplinären Theologie an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden kann. Dessen ungeachtet macht der Versuch des Vf.s, mittels einer biblischzentrierten Rückbesinnung auf Jesus Christus und seine Botschaft eine konfessionsübergreifende, normative Grundlage (zur Unterscheidung) zu schaffen, eine Stärke des Bd.s aus. Ferner stellt der scharfsinnig und erfahrungsbasiert erarbeitete Fragenkatalog einen weiteren Gewinn sowohl für CEK als auch für die Theologie und die Kirchen dar, der letztendlich der Bemühung des Vf.s Ausdruck verleiht, den CEK-Bewegungen ebenso wie der akademischen Theologie auf Augenhöhe und zugleich sachorientiert begegnen zu wollen. In geringerer Tiefenschärfe reflektiert und weniger transparent gemacht erscheinen hingegen die Auswahlkriterien, nach denen Ereignisse und Bewegungen in den Status „epochale[r] Gnadenzeiten“ oder Kairoi erhoben werden (s.o.). Theologisch ist die Frage nach den Auswahlkriterien allerdings keineswegs trivial. Doch ungeachtet der angeführten problematischen Aspekte ist die hieraus resultierende Unterscheidung der Geister ein wertvolles Instrumentarium für die weiterzuführende Debatte. Der Bd. bietet sich jedenfalls jedem, der sich fundiert mit den wichtigsten theologischen Fragen, die diese drei Bewegungen entfacht haben, auseinandersetzen möchte, als eine solide Grundlage.
Literaturverzeichnis zur Rezension
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