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REZENSION: Daniel Chiquete, Raum und Liturgie im mexikanischen Pentekostalismus. Eine theologische Interpretation der Pfingstarchitektur. Hamburg: Missionsakademie an der Universität Hamburg, 2005.

von Daniel Frei

Der Autor bringt für seine Studie ideale Voraussetzungen mit: Er ist mexikanischer Pfingstler, hat sowohl Architektur als auch Theologie studiert und seine Dissertation an der theologischen Fakultät der Universität Hamburg verfasst. Dass er seit seiner Jugend Mitglied in einer Pfingstkirche ist, ermöglicht ihm eine Innenperspektive, die er fruchtbar zu nutzen versteht, ohne dabei die kritische Distanz zu verlieren.

 

Er beschränkt seine Untersuchung nicht alleine auf die Kirchengebäude und –räume mexikanischer Pfingstkirchen im Bundesstaat Sinaloa, sondern setzt den sakralen Raum, die pfingstlerische Liturgie und Ekklesiologie miteinander in Beziehung: Raum, Liturgie und Gemeinschaft sind die Eckpfeiler seiner Forschungsarbeit. Auffällig ist dabei das Verhältnis zwischen den zweckmäßig gebauten, protestantisch geprägten Kirchengebäuden mit nüchternen Innenräumen und spärlicher Ausstattung einerseits und der emotionalen Gottesdienst- und Gemeindepraxis andererseits. Der gottesdienstliche Raum der Pfingstler bietet die entsprechende Antwort auf die starke Dynamik der Pfingstliturgie (S. 234). Dazu gehören die weißen Wände und der offene Raum, der intensive Bewegungen ermöglicht, sowie flexible Elemente wie Stühle oder ein Lesepult, die sich leicht verstellen lassen.

 

Mit seiner Untersuchung erzielt Daniel Chiquete Ergebnisse, die über den mexikanischen Kontext hinausreichen und für die gesamte lateinamerikanische Pfingstbewegung relevant sind. Der Autor versteht es, interdisziplinär zu forschen, er beherrscht souverän die Literatur und verfügt über einen reichen Schatz an Material als teilnehmender Beobachter und aufgrund zahlreicher Interviews. Aufschlussreich ist auch sein Vergleich zwischen der Architektur der klassischen Pfingstbewegung und des Neopentekostalismus. Die zunehmende Bedeutung der Musik als liturgisches Element im Neopentekostalismus spiegelt sich zum Beispiel in einem größeren Freiraum im vorderen Bereich wieder, der mehr Freiraum für die Musikband, den Prediger und die Partizipation der Mitglieder erlaubt.

 

Ein Desiderat bleibt ein vertiefter Vergleich zum theologischen und historischen Hintergrund der pfingstlerischen Architektur. Dabei wäre es sinnvoll, in anderen Kontexten Lateinamerikas oder auch in anderen Kontinenten ähnliche Feldstudien zu wiederholen, wie dies der Autor selber empfiehlt. Dass sich die pfingstlerische Architektur wie auch die Theologie stark in Abgrenzung zum katholischen Gegenüber definiert, wie dies der Autor betont- sich also gleichermaßen als Negation des Katholischen versteht - ist nachvollziehbar. Es wäre aber zumindest interessant, profane Architektur als Referenzrahmen zu untersuchen, im Vergleich zu Gemeinschaftsbauten wie Schulen, Versammlungshallen oder Verwaltungsgebäuden. Die Tendenz innerhalb des Neopentekostalismus, Gottesdienste in Theatern oder Kinosälen zu feiern, zeigt den Bezug zur profanen Architektur und deren Verwendung für religiöse Zwecke. Der Autor nennt die Multifunktionalität der Räume (S. 238) als neueres Charakteristikum, was dem Prinzip des protestantischen Kirchgemeindehauses entspricht. Entsprechend kann man denn auch eher von gemeinschaftlichen als gottesdienstlichen Räumen sprechen (S. 286). Die Fähigkeit zur Sakralisierung alles Profanen ist ein grundlegendes Merkmal der pfingstlerischen Frömmigkeit. So beginnen viele Gemeinden in Wohnzimmern mit ihren Versammlungen und vergrößern je nach Bedarf die Räume. Dabei sind Kriterien wie finanzielle Leistungskraft oder Freiwilligenarbeit oft ausschlaggebend. Dies hat Ausstrahlung auf die Architektur, die oft provisorischen Charakter hat, oder, wie der Autor selber anführt, Funktionalität und Bequemlichkeit als wichtigste Kriterien für den Kirchenbau ansieht.

 

Der Verfasser hat mit dem Thema der pfingstlerischen Architektur eine Pionierleistung vollbracht, die Auswirkungen auf verschiedene theologische Fragestellungen hat. Beispielhaft ist, wie er Grenzen zwischen unterschiedlichen Disziplinen überschreitet und diese zueinander in Beziehung setzt. Das Buch stellt eine sehr empfehlenswerte Lektüre dar für alle an der lateinamerikanischen Pfingstbewegung Interessierten.

 

 

 

 

 

Zuletzt verändert: 28.09.2010 22:20