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REZENSION: Brighton Mufuruki Katabaro, Rechtfertigung und Erfolg. Pfingstcharismatische Lehre und Praktiken als Herausforderungen für die Lutherische Rechtfertigungslehre in Tansania, Göttingen: Cuvillier, 2009

von Andreas Heuser

In der Erforschung der Pfingstbewegung in Ostafrika ist der tansanische Kontext bislang relativ unterbelichtet. Insofern füllt Katabaros Studie, als Hamburger Dissertation 2009 eingereicht, eine Lücke.

Allerdings richtet sich Katabaros Fokus nicht darauf, die Pfingstbewegung in Tansania historisch, sozial oder empirisch zu profilieren. Vielmehr verfolgt er eine apologetische Absicht. Das Raster des Buches geht von der Beobachtung aus, dass viele Lutheraner in Tansania in den letzten Jahren zu einer der pfingstcharismatischen Kirchen wechselten, die seit den 1980er Jahren die hiesige Religionslandschaft ausdifferenziert haben. Der Autor sieht darin eine Herausforderung an Frömmigkeit und Theologie der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT), die in weiten Teilen des Landes einen nahezu volkskirchlichen Status innehat. Katabaro, selbst Pfarrer einer der nordwestlichen Diözesen der ELCT, sieht in unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtfertigungs- und Heiligungslehre einen der Hauptbeweggründe der Wanderbewegung aus der lutherischen Kirche hin zur tansanischen Pfingstbewegung.

Um einzelne doktrinale und ekklesiologische Eckpunkte zu besprechen, bezieht er sich auf Positionen der ELCT, die er kontrastiert mit denen der „Full Gospel Bible Fellowship Church“, einer in den späten 1980er Jahren gegründeten Megakirche mit Hauptsitz in Dar es Salaam. Diese Kirche vertritt ein ausgesprochenes Erfolgs- oder Wohlstandsevangelium und dient damit gut dazu, das jeweilige Verständnis z.B. von Rechtfertigung und Sünde, die Taufthematik oder die Beziehung von Rechtfertigung und Perfektionismus darzustellen. Hinzu kommt, dass die ostafrikanische Erweckungsbewegung, die seit den 1930er Jahren auch innerhalb der lutherischen Kirche deutliche Spuren hinterlässt, den heutigen Diskurs mit Pfingstlern teilweise abbildet. Jedoch nimmt die Erweckungsbewegung gerade Abstand vom Streben nach materiellem Wohlstand und ist durch eine Jesusfrömmigkeit charakterisiert, d.h. sie kommt ohne die Betonung der Geistesgaben aus.

Unter Hinzuziehung der ostafrikanischen Erweckung ist Katabaros These, dass die lutherische Rechtfertigungslehre immer schon zu abstrakt vermittelt werde, ein Defizit, das sich gegenwärtig durch das Bedürfnis vieler nach äußeren Zeichen des Gerettet-Seins verstärke (S. 74ff). Doch verbleibt er nicht allein auf der synchronen Ebene heutiger Diskursfelder, sondern bezieht eine diachrone, ideengeschichtliche Ebene in seine Überlegungen mit ein. Er vergleicht die gegenwärtigen theologischen Konstellationen der betreffenden kirchlichen Lager in Tansania mit den Konfliktszenarien zwischen lutherischen Positionen und Spiritualisten (Täufertum) in der Reformationszeit. Seine zweite These ist, dass sich aufgrund ähnlicher Themenkomplexe auch gewisse Argumentationslinien ausziehen ließen, die in den heutigen theologischen Auseinandersetzungen der ELCT mit dem Phänomen der Pfingstbewegung hilfreich seien. Das Verständnis der Pfingsttheologie aus lutherischer Perspektive also greift auf Argumentationslinien zurück, die kirchengeschichtlich weitaus länger zurück reichen als bis zum Beginn der Pfingstbewegung im 20. Jahrhundert. Damit legt Katabaro einen originären Ansatz vor, der in der Tat die gegenwärtig vielfach bestehende Konfliktatmosphäre zwischen Lutheranern und Pfingstlern in Tansania auf theologische Betrachtungen hin ausrichtet und auch versachlichen hilft.

Eine Anmerkung zur methodischen Vorgehensweise. Katabaros empirische Grundlage besteht aus zwei verschiedenen samples. Zum Einen wertet er Experten-Interviews aus, die er zumeist mit Pfarrern und einer Reihe von Bischöfen der ELCT wie aus dem pfingstkirchlichen Spektrum geführt hat. Manche der Interviewpartner scheinen eher zufällig ausgewählt zu sein. Zum Anderen beruft er sich auf einen sample von (nur 52) Fragebögen, zumeist beantwortet von Personen aus der ländlichen Heimatregion des Autors (S. 73). Seine Fallstudie in Bezug auf die tansanische Pfingstbewegung aber ist eine vorwiegend urban verankerte Megakirche. Zudem spricht der Autor so inflationär wie unbestimmt von „vielen Menschen“, um die Relevanz der Pfingstbewegung darzustellen (vgl. S. 188f). Diese Quantifizierung ist empirisch-statistisch nicht unterstützt, zumal ein Verweis auf anderweitige Untersuchungen fehlt. Die Wanderbewegung von Lutheranern zur Pfingstbewegung bleibt diffus (z.B. S. 151). Welches ist das Profil dieser Wechsler (Alters-, Berufs-, Geschlechterprofil)? Sprechen wir von einem städtischen oder ländlichen Phänomen, und welche Bedeutung hat Migration bei der Neuvermessung der religiösen Landkarte in Tansania? Lassen sich gewisse Schübe, in welchen sozialen oder globalen Kontexten erfassen? Solche und andere Fragen bleiben offen. Auch wenn diese nicht im Fokus des Autors liegen, beruft er sich doch in großen Abschnitten der Studie auf einen sozio-ökonomischen Kontext von Armut und Globalisierung (S. 45f., 53ff.) als wesentlichen Erklärungsansatz für den Erfolg der Pfingstbewegung in Tansania. Jedoch reicht die von ihm gebotene allgemeine wie narrative Einführung in diese Kontexte nicht aus, zumal sich der Autor hauptsächlich auf Krisen der ländlichen Gesellschaft bezieht.

Am Ende überwiegen die ganz persönlichen und allgemeinen Einschätzungen des Autors. Ebenso unbestimmt beschließt Katabaro seine Studie, von der eine englische, wenn nicht Kisuaheli-Fassung vorliegen sollte, mit einer ökumenischen Perspektive. Sein Plädoyer für ökumenische Begegnung verdeckt den positionellen Dissens, den der Autor mitunter selbst fördert. So ist die Befreiung von „Dämonen und bösen Mächten“ (79ff; 133ff) ein ständig anwesendes Thema. Katabaro erkennt darin eine Konstante der afrikanischen Kosmologie. Pfingsttheologie verchristlicht diese Weltanschauung, wenn man so will, in einem für „viele“ auch lutherische Christen attraktiven Teufelsdiskurs. Katabaro verficht jedoch entschieden „Anti-Dämonisierungskampagnen“ in Tansania (S. 81) und sieht – wie die offizielle Lehrmeinung in der ELCT - in dem Diskurs um „böse Mächte“ bloßen Aberglauben am Werk. Es wäre spannend zu sehen, welche Form das ökumenische Gespräch allein in dieser Hinsicht annähme.

Zuletzt verändert: 04.06.2011 16:20