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REZENSION: Bernhard Olpen, Gekämpft mit Gott und Menschen. Das Leben Heinrich Vietheers. Erzhausen: Leuchter Edition, 2007.

von Sven Brenner

Pastor Bernhard Olpen (Jahrgang 1963), Regionalleiter im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (Bayern-Nord), zeigt in seinem Werk, welches er im Rahmen seines Magisterstudiums an der Universität Bayreuth verfasst hat, anhand der Biographie von Heinrich Vietheer (1883-1968) auf, dass Vietheer ein Mann der Extreme war. Abgebildet wird sein Arbeiten und Mühen für Gott, aber auch die Spannungen im zwischenmenschlichen Bereich. Das Leben von Heinrich Vietheer stellt für den Autor eine lange Geschichte von Zerwürfnissen dar, geprägt durch die Spaltung der Gemeinschaftsbewegung rund um den pfingstlichen Aufbruch am Anfang des 20. Jahrhunderts, aber auch durch persönliche Defizite und Schwächen. Dank Vietheers Einsatz entstand ein pfingstlicher Aufbruch, der als „Elim-Bewegung“ in die Geschichte einging. Dadurch wurde er zu einem der Väter der Pfingstbewegung in Deutschland, dem man aber mit einer gewissen Zwiespältigkeit begegnete, denn sein Wirken fand Bewunderung auf der einen Seite und Betroffenheit auf der anderen Seite. Seine Lebensleistung wirkt für den Autor bis heute nach und ist zugleich Ansporn und Warnung. Dabei geht es dem Autor auch deutlich um eine erbauliche Deutung von Vietheers Geschichte, denn sie zeige sehr deutlich, was Gott tun kann, wenn wir ihm alles zutrauen.

In neun Kapiteln skizziert der Autor sämtliche Lebensstationen von Heinrich Vietheer. Die ersten zwei Kapitel beschäftigen sich mit den Anfängen von Vietheers Arbeit. Der Autor beginnt bei Vietheers Kindheit, Familienhintergrund, seinem Weg zum Glauben und der darauf folgenden Berufung zum Dienst. Es folgen seine Dienstjahre bis zum Ersten Weltkrieg.

In den sich anschließenden drei Kapiteln skizziert der Autor Vietheers Verhältnis zur Evangelischen Allianz. Aufgrund seiner Trennung von der Pfingstbewegung Mülheimer Richtung verrichtet Vietheer Dienste auf dem Boden der Evangelischen Allianz. Aber auch hier kommt es, bedingt durch einen Konflikt mit Friedrich Heitmüller, zum Bruch. Zunächst unternimmt Vietheer eine mehrmonatige Südamerikareise um dann nach seiner Rückkehr eine neue Basis für seine Arbeit zu suchen. Es entwickelt sich eine Zusammenarbeit mit den Methodisten, die dann wiederum zu einem Ende kommt.

An diesen Teil schließt sich Kapitel sechs an, das sich vor allem auf die Elim Bewegung fokussiert. Der Autor schildert hier wie es zur Gründung eigener Gemeinden und der daraus entstehenden Bewegung kam. Eine Darstellung der Zeitschrift der Bewegung, „der Glaubensweg“, und der Ausbildung von eigenem Predigernachwuchs, folgen. Schließlich schreibt der Autor über Vietheer selbst: seinem weichen Kern trotz der harten Schale, seinem Leiterschaftstil, sowie seinem Umgang mit der Gestapo und dem Dritten Reich und von seiner zweite Amerikareise.

In den letzten Kapiteln berichtet der Autor von dem durch den Nationalsozialismus bedingten schwierigen Zusammenschluss mit den Baptisten und die daraus folgende „Entmachtung“ Vietheers. Er beschreibt die in der Nachkriegszeit zerbrechende Einheit der Elimbewegung und der Gemeinden im Osten und im Westen, bis hin zu Vietheers Weg in die Isolation, seinen letzten Kontakte und Wirksamkeiten, seinen Schritten zur Versöhnung und zuletzt bis zu seinem Tod. Er schließt mit einer Bilanz diese „langen Geschichte der Zerwürfnisse“ ab.

Im Anhang des Buches ist, neben einem Personenverzeichnis und einem Quellen- und Literaturverzeichnis, auch ein Abbildungsverzeichnis der 21 im Buch enthaltenen Abbildungen beigefügt. Des Weiteren enthält das Buch einen Abschnitt über Vietheers „Nachversammlungen“ sowie einer Zeittafel, welche die Lebensdaten von Heinrich Vietheer den wichtigen Daten zur Zeitgeschichte gegenüberstellt. Alle verwendeten Zitate sind gut dokumentiert.

Das Buch erschließt neue Quellen und Perspektiven, denn der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht, neben eigenen Nachforschungen in den Archiven verschiedener Denominationen, gesammelten Dokumenten, Aussagen und Zeugnissen, auch noch lebende Zeitzeugen wie Gotthard Falk, Manfred und Mathilde Mattes, Bruno Hampel, Herman Dunst, Karl-Heinz Neumann, Alfred Koschorreck, Karl Schreiter, Adolf Rutz, Wolfgang Lorenz und Günther Stengel zu befragen. Als weitere Grundlagen für das Buch dienen die Autobiographie von Heinrich Vietheer „Unter der guten Hand Gottes“ (Berlin 1962), sowie die Zeitschrift „Der Glaubensweg“. Durch diese und weitere Quellen gelingt es Olpen, neues Licht auf einige offene Fragen zu werfen, wie beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen Heinrich Vietheer und Pastor Friedrich Heitmüller in Hamburg, dem Zwist zwischen den Methodisten und der Elimbewegung im Erzgerbirge, sowie zur Ehe zwischen Vietheer und seiner ersten Frau, Mathilde.

Durch die Vielzahl der historischen Erkenntnisse in Kombination mit dem erbaulichen und bisweilen zeugnishaften Charakter des Buches trägt Bernhard Olpen mit dem vorliegenden Werk wesentlich zum besseren Verständnis der Person Heinrich Vietheers bei und vermag es so die bisher klaffenden Lücken zu schließen. Dieses Buch ist allen, die sich für die pfingstlichen Aufbrüche Anfangs des 20 Jahrhunderts, und den damit einhergehenden Auseinandersetzungen, interessieren, zu empfehlen.

Für weitergehende Studien wären noch einige methodische Überlegungen hinsichtlich der Neutralität und Subjektivität der Quellen unabdingbar. Da die vorliegende Arbeit sich zum großen Teil auf die Autobiographie von Vietheer, sowie der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Der Glaubensweg“ stützt, stellt sich beispielsweise die Frage wie mit der apologetischen Grundfunktion dieser Quellen umzugehen ist. Gleichermaßen gilt dies auch für die individuelle Erinnerung der Zeitzeugen. Hierfür wären noch kritische Rückfragen an das Narrativ, sowie weitere Quellen, welche das Narrativ gegeben falls konterkarieren, von großer Wichtigkeit.

ISBN:978-3-87482-028-8
239 Seiten
Preis: n.a.  (vergriffen, gebraucht erhältlich)
Zuletzt verändert: 30.09.2012 00:02