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REZENSION: Michaela Albrecht und Werner H. Ritter (Hrsg.), Zeichen und Wunder. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007 (Biblische Theologische Schwerpunkte; 31)

von Paul Schmidgall

Für ihr Buch „Zeichen und Wunder“ haben Werner H. Ritter, Professor für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik an der Universität Bayreuth und Michaela Albrecht, wissenschaftliche Mitarbeiterin im gleichen Fachbereich einen interdisziplinären Zugang gewählt: Theologische und praktisch-theologische Artikel sind darin ebenso aufgenommen wie Beiträge aus anderen Wissenschaftsdisziplinen. Schon der Titel weist darauf hin, dass „Wunder“ als „Zeichen“ verstanden werden sollen, als christologische Hinweise auf Gott und sein Heil schaffendes Handeln.

 

Das Buch ist dreigeteilt:

Den ersten Teil des Buches bilden drei theologische Beiträge, die zum einen die biblischen Grundlagen explizieren und zum anderen die theologische Relevanz des Themas für die Gegenwart aufzeigen. Der Alttestamentler Eckart Otto zeigt anhand der Auszugserzählung (Ex 14), dass es den biblischen Autoren dabei um die Frage nach dem Subjekt der Geschichte, nämlich Gott, den Lenker derselben, geht. Der Neutestamentler Gerd Theißen untersucht die Wunder Jesu historisch, psychologisch und theologisch. Historisch sind „die allgemeinen Züge einer Heil- und Exorzismustätigkeit Jesu ... gut bezeugt“

(S. 10), psychologisch können die Wunder auf Glaube und Vertrauen in die Macht eines Heilers, in dem Gott selbst wirkt, zurückgeführt werden und „theologisch sollten wir eine ... Heilgabe als Bestandteil der Schöpfung anerkennen.“ (S. 10) Wolfgang Schoberth schließlich beleuchtet das Phänomen Wunder aus systematisch-theologischer Perspektive und bedauert, dass durch die Wunderkritik der Aufklärung die Theologie zu diesem Thema in die Defensive gedrängt wurde.

 

Aus Teil II (Gespräch mit anderen Wissenschaftsdisziplinen) und Teil III (praktisch-theologische Beiträge) sollen nur hier nur einzelne Artikel behandelt werden. Dirk Evers betont in seinem Beitrag „Wunder und Naturgesetze“ die Berechtigung beider Kategorien, erläutert die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Zugangsweise und die Wichtigkeit des Gesprächs zwischen den beiden Disziplinen Naturwissenschaft und Theologie. Der Onkologe Herbert Kappauf behandelt in seinem Artikel Spontanremissionen bei Krebs und erklärt verschiedene medizinische Wirkmechanismen, die daran beteiligt sein können. Letztendlich resümiert Kappauf, dass, obwohl Spontanremissionen eher selten vorkommen, auch die Psyche und der Glaube des Menschen dabei eine Rolle spielen können. Die Religionspsychologin Ulrike Popp-Baier stellt zur Wunderfrage neue empirische Erhebungen in den Niederlanden und Deutschland vor. Dabei stellt sie fest, dass das Phänomen Wunder vor allem im Zusammenhang mit lebensgeschichtlich bedeutsamen Ereignissen erlebt und verstanden wird. Der Religionspädagoge Helmut Hanisch kommt nach einer empirischen Forschungsarbeit zur Frage des Wunderglaubens bei Kindern und Jugendlichen zum Ergebnis, dass die Mehrzahl der befragten Jugendlichen (280 im Alter von 10 bis 20 Jahren) – anders als oft angenommen – über einen positiven Wunderbegriff verfügen. Obgleich die Soziologie methodologisch die Frage nach Gott ausklammert, zeigt Michael N. Ebertz in seinem Beitrag, dass auch die Soziologie nicht ihre Augen vor dem in der Gesellschaft verbreiteten Wunderglauben verschließen kann, sondern ihn als eine soziale Tatsache wahrnimmt. Der Religionspsychologe Erich Nestler bespricht sehr wohlwollend das Phänomen „Zeichen“ und „Wunder“ bei Heilungsevangelisten der Pfingstkirchen. Meines Erachtens hätten von ihm jedoch noch folgende kritisch reflektierende Untersuchungen aus dem Umfeld der Pfingstkirchen (Europäisches Theologisches Seminar) berücksichtigt werden müssen: Michael Dieterich, „Psychologisch orientierte Ansätze zum Bewusstsein“, in: Ekstase, Trance und die Gaben des Geistes, H. Hemminger (Hg.), Friedensau 1998; Roland Scharfenberg, Wenn Gott nicht heilt, Nürnberg 2005; David Petts, Just a Taste of Heaven. A Biblical and Balanced Approach to God’s Healing Power, Mattersey Hall 2006; Kimberly Alexander, Pentecostal Healing. Models in Theology and Practice, Blandford Forum 2006.

 

Resümee: Erfahrungshorizont der ausgezeichneten Artikel von „Zeichen und Wunder“ ist die Moderne. Durch das anaphorische „Zeichen“ wird allerdings an manchen Stellen auch ein Fenster geöffnet. Vielleicht hätte angesichts der Aporie des Münchhausen Trilemmas (Albert) – thematisch noch passender und auch zeitgemäßer - das Fenster zu einer Metaerzählung, die z.B. Weltgeschichte im Kontext von Heilsgeschichte deutet, sogar noch etwas weiter aufgestoßen werden können (vgl. Jörg Dieterich (Hg.), Streiflichter zur Wissenschaftstheorie. Friedensau 1999; M. Bergunder, „Wenn die Geister bleiben … - Volksreligiosität und Welbild“, in: D. Becker/A. Feldtkeller (Hg.), Es begann in Halle. Missionswissenschaft von Gustav Warneck bis heute. Erlangen 1997).

 

Zuletzt verändert: 28.09.2010 22:27