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REZENSION: Yan Suarsana, Christentum 2.0? Pfingstbewegung und Globalisierung, Zell am Main: Religion und Kultur-Verlag, 2010.

von Daniel Frei

Die Pfingstbewegung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen wird zunehmend auch im deutschen Sprachraum wahrgenommen. Während bereits Standardwerke auf Englisch vorliegen und eine Vielzahl von Einzelfallstudien publiziert wurde, legt der Autor hier eine sehr lesenswerte Zusammenfassung aktueller Themen und Fragestellungen im globalen Kontext der Entwicklung dieser charismatischen Strömung des Christentums vor. Entstehung und Entwicklung der Pfingstbewegung werden hier eng mit Globalisierungsprozessen verknüpft, welche sich unter anderem durch Migrationsbewegungen manifestieren.

Im ersten Teil wird erklärt, welche Faktoren die Pfingstbewegung prägen und wie diese umrissen und verstanden werden können. Inhaltliche Aspekte treten dabei in den Hintergrund und werden nur sekundär bei gezogen, um Verständniskategorien zu bilden. Die kontinuierliche Teilhabe am Diskurs um Pfingstlichkeit und historische Verbindung zu den Anfängen der Pfingstbewegung bieten die formalen Kriterien, um zu die durch schwer zu fassende Bewegung zu definieren. Der umfangreiche Mittelteil stellt die Entstehung und Ausbreitung der Pfingstbewegung in den unterschiedlichen Zusammenhängen einer globalisierten Welt, besonders in den USA, Afrika und Deutschland dar. Als Fazit zeigt der Autor, dass Pfingstbewegung und Globalisierung verschränkt sind und Motive und Elemente teilen. Der dritte Teil untersucht die Ausbreitung der Pfingstbewegung durch globale Migrationsbewegungen. So finden sich pfingstlich geprägte Migrantenkirchen im europäischen Kontext, wie das Beispiel Deutschland zeigt. Der Pfingstglaube kompensiert soziale und wirtschaftliche Ausgrenzungs- und Verlusterfahrungen durch eine religiöse Siegermentalität. Wirtschaftliche Verlierer werden vereinfacht dargestellt zu religiösen Siegern, welche den Europäern den verloren gegangenen Glauben zurückbringen. So entstehen auch in Deutschland neue soziale Milieus und verändert kulturelle Identitäten. Im Schlussfazit wird gefragt, ob die Pfingstbewegung in Deutschland allenfalls die multikulturelle Gesellschaft bereichern könne oder sie dadurch herausfordere, dass sie der pluralistischen und säkular geprägten Gesellschaft eine verbindliche und einheitliche Wahrheit entgegenstelle.

Insgesamt bietet das Buch einen sinnvoll angelegten Überblick über wichtige Themen der Forschung im Bereich der Pfingstbewegung. Allerdings stehen die drei Teile etwas unverbunden nebeneinander. Der von Bergunder initiierte Diskurs zur Definierung der Pfingstbewegung wird zu Beginn breit aufgenommen. Im Hauptteil argumentiert der Autor entsprechend, dass mit den theologischen Vorläuferbewegungen wie der Heiligungsbewegung und dem Methodismus, die in die Erweckung in der Azusa Street in Los Angeles führen, ein Diskurs über ein weltweites Pfingsten einsetzte, der deshalb möglich wurde, weil im Vorfeld bereits ein globales Netzwerk an Erweckungsbewegungen bestand. Hollenwegers ältere Publikationen werden breiter rezipiert als sein Standardwerk von 1997. Er bietet dort (31) eine durchaus noch lesenswerte Aufstellung pfingstlerischer Glaubenspraktiken, die weitgehend den von Währisch-Oblau genannten Kriterien entsprechen. Warum Zopfi zum Beispiel im Zusammenhang mit den Nationalratswahlen in der Schweiz von 1958 zitiert wird, leuchtet nicht recht ein. Die Schweizerische Pfingstmission hat ihre Bedeutung im charismatischen Spektrum der Schweiz eingebüsst. Dass statistische Erhebungen, wie sie Barrett in Bezug auf die Pfingstbewegung und deren Unterteilung in sogenannte drei Wellen vornimmt, mit Vorsicht zu geniessen sind, wird gerade vor dem Hintergrund der im ersten Teil gewählten Ansatzes deutlich. Hilfreich ist vor allem der Gesamttrend einer Verlagerung pfingstlerischer Religiosität in die südlichen, armen Länder der Welt.

Spannend ist das Verständnis der Pfingstbewegung als Mittlerin zwischen Tradition und Modernität mit einem glokalen Ansatz. Hier wird das Verhältnis zwischen Globalisierung und Pfingstbewegung besonders deutlich, „der globalen Homogenisierung von gesellschaftlichen Institutionen, Symbolen und Erfahrungen wird also durch die Rekonstruktion oder Erfindung faktisch neuer, aber mit den alten Formen harmonisierten lokalen Identitäten entgegengewirkt.“ (61f.) So wird ein globales Netzwerk pfingstlerischer Religiosität geschaffen, das wiederum Migration begünstigt. Neue Medienscapes und der Zugang zu elektronischen Medien auch in den sogenannten Entwicklungsländern unterstützen die Bildung pfingstlerischer Kommunikation und eines „diskursiven Netzwerks“ (78).

Im dritten Teil werden pfingstlerische Migrationskirchen in Deutschland untersucht. Gerne würde man hier mehr erfahren über die globalen Netzwerke und persönlichen Vernetzungen, in denen sich die Migranten bewegen. Zu diesen Fragen wird derzeit intensiv geforscht. Die breite Diskussion zur Konstruktion kultureller Identität in westlichen Migrationsgesellschaften steht in keinem direkten Verhältnis zu pfingstlerischen Migrationskirchen. Sozioökonomische Fakten könnten helfen, die Migrationskirchen besser zu verorten. Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der ´zweiten Generation´, die sich der Kultur und Sprache ihrer Eltern entfremdet und deren pfingstlerischem Glauben distanzierter gegenübersteht. Was geschieht, wenn natio-ethno-kulturelle Kriterien verschwinden, wie gehen gemischte Paare mit diesen Herausforderungen um? Dass vor allem afrikanische Migrationskirchen bestehen, überrascht angesichts der starken Zuwanderung aus Lateinamerika. Charismatische Tendenzen finden sich durchaus auch in katholischen Missionen von Migranten. Ein Vergleich mit der Situation in anderen europäischen Ländern könnte fruchtbar ausfallen.

Das Fazit am Schluss wirkt etwas unverbunden. Während der Autor detailliert den Kontext der Migrationskirchen darstellt und zeigt, wie schwer sich die traditionellen protestantischen Kirchen und pfingstlerische Migrationskirchen im gegenseitigen Umgang tun, wird hier das neue Christentum als eine neu geladene Version für die Zukunft dargestellt. Wie das Titelbild wird hier ein dynamisches, energetisch aufgeladenes Christentum propagiert. Hier wünschte man sich eine differenziertere Ertragssicherung. Können pfingstliche Migrantenkirchen als Vertreter der einen Wahrheit dabei etwas zu einer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft mit ihrer Vielzahl individueller Wahrheiten beitragen?

 

ISBN: 978-3-933891-24-2
140 Seiten
Preis: 14,90 € 
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Zuletzt verändert: 25.11.2011 10:06