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REZENSION: Marlin Watling, Natürlich übernatürlich. Die Geschichte der Vineyard-Bewegung. Von den Anfängen der Hippie-Bewegung bis zu neuen Gemeinden im postmodernen Europa, Witten: SCM R.Brockhaus, 2008.

von Anita Brutler

Der Titel stellt die erste derartige Publikation eines deutschsprachigen Autoren zur relativ jungen Vineyard-Bewegung dar. Marlin Watling ist Diplom-Psychologe sowie Gründer und Leiter der seit 2003 bestehenden Vineyard-Gemeinde in Heidelberg.

Das Buch soll die Geschichte der Vineyard-Bewegung dokumentieren, wobei Watlings Religionsgeschichtsschreibung in der Beschreibung der Entstehung seiner eigenen Gemeinde mündet. Allerdings lässt das Buch auch weitere Akteure innerhalb der Bewegung zu Wort kommen und gewährt dadurch auch Einblick in andere rezente Gemeinden im deutsch- und englischsprachigen Raum und macht einige Anmerkungen aus globaler Perspektive.

Watlings Quellen sind multimedial: zum Teil handelt es sich um angelsächsische Literatur zur Bewegung, weiterhin um Onlineartikel, Blogeinträge und Audio-Kassetten. Die Chronologie wird durch Einschübe in Form illustrierender Liedtexte oder Interviewausschnitte ergänzt. Eine gewisse Art von Interaktivität kommt zudem in Kommentar-Fußnoten zum Ausdruck, in denen verschiedenen Personen, die der Vineyard nahe stehen, den Fließtext durch ihre Gedanken und Erfahrungen ergänzen.

Der Autor schildert einleitend seinen eigenen biographischen Weg zur Vineyard und thematisiert seine emische Perspektive. Ziel des Buches sei es zu zeigen, dass die Vineyard-Bewegung für unsere Zeit relevant ist. (13) Die Geschichten in diesem Buch werden daher als Illustrationen für die Bewegung zentral verstandenen Praxis des Reiches Gottes verstanden. Die Einleitung schließt mit einer theologischen Einordnung der Vineyard in die lutherisch-protestantische und die pfingstliche Tradition.

Der Rest des Buch gliedert sich in sieben Kapitel. Kapitel 1 beschreibt Anfänge der Vineyard im Dunstkreis der sozialen Umbrüche und der US-amerikanischen counter culture-Bewegung der 1960er Jahre. In Abgrenzung zu infrage gestellten oder als überkommen verstandenen etablierten kirchlichen Modellen suchten Menschen alternative Formen der christlichen religiösen Praxis. Im Rahmen dieses historischen Kontextes werden das Wirken und der wechselseitige Zusammenhang von prägenden Figuren wie u.a. Ted Wise, Lonnie Frisbee und Kenn Gulliksen, der 1974 die erste Vineyard-Gemeinde gründete, geschildert. Kapitel 2 enthält biographische Schilderungen zu der Person John Wimbers, einem ehemaligen Musiker, der die Vineyard-Bewegung entscheidend prägte. Beschrieben wird Wimbers Hinwendung zu christlicher Praxis, seine Partizipation in einer Quäkergemeinde und sein späteres Zerwürfnis mit dieser durch seine Praxis der Zungenrede, seine theologische Ausbildung und die Anfänge seiner eigenen Gemeinde. Kapitel 3 beschreibt den Anschluss von Wimbers Gemeinde an die Vineyard und die internationale Ausbreitung der Bewegung unter Wimbers Leitung, und schließt mit einer Skizze der theologischen Leitlinien der Vineyard. Weitere historische Entwicklungen, die inneren Auseinandersetzungen mit und die Abgrenzungen von Prophetie und Toronto-Segen als zentral verstandener Praxis, sowie die Einflüsse von Personen wie Steve Sjogren und Bill Hybels werden in Kapitel 4 thematisiert. Kapitel 5 zeichnet die Ausbreitung der Bewegung im europäischen Raum seit den späten Achtzigerjahren nach. Beschrieben werden die Aufnahme von Gemeinden in Bern und Speyer, und schließlich der Weg zur Gründung der Gemeinde in Heidelberg. Kurze Erwähnung finden auch die afrikanische und die süd- und ostasiatische Vineyard-Bewegung. Kapitel 6 geht auf Herausforderungen der Bewegung ein, wie den Tod Wimbers und den sozialen Umbruch zur „Postmoderne“, und weist Konzepte von alternative worship und Emerging Church als Lösungsansätze aus. Kapitel 7 ist eine Zusammenstellung von Interviews des Autoren mit Vineyard-Leitern aus der zweiten Generation von Vineyard-Gemeinden (in England, den USA sowie der Schweiz). Der Anhang enthält u.a. eine Beschreibung der letzten Lebensjahre und des Todes von Wimber, sowie Kurzbeschreibungen zum weiteren Werdegang zahlreicher anderer relevanter Akteure, wie Gulliksen oder Frisbee.

Das Buch ist sprachlich anschaulich und gut verständlich und bietet damit einer breiteren Zielgruppe einen lebendigen Einblick in die englisch- und deutschsprachige Vineyard-Bewegung. Watlings Geschichtsschreibung verfolgt keinen religionswissenschaftlichen Anspruch, da sie aus einer theologischen Binnenperspektive aus verfasst ist und die historischen Ereignisse als Glaubenszeugnis verstanden werden sollen. Allerdings reflektiert der Autor eingangsseine emische Position und deren Implikationen: „Als Insider bei Vineyard habe ich eine positive Haltung gegenüber der Geschichte, und das prägt meine Erzählung. [] es gibt viele Fehler und Schwächen in dieser Bewegung. Allerdings liegt die Betonung hier auf den Stärken ...“(13). In diesem Sinne ist dem Buch unbedingt zugute zu halten, dass es dennoch keine makellose Erfolgsgeschichte präsentiert, sondern durchaus auch Brüche, Richtungswechsel oder Konflikte andeutet und thematisiert.

Die Publikation ist eine reiche und durch seine gegenwärtige Einzigartigkeit im deutschsprachigen Raum unverzichtbare Quelle für diejenigen, die sich (religionswissenschaftlich) mit der Vineyard-Bewegung gerade im deutschen Kontext beschäftigen wollen.

ISBN:978-3-417-26247-6
216 Seiten
Preis: vergriffen (gebraucht erhältlich)
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Zuletzt verändert: 07.03.2012 10:52