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Projekt: Jugendliche in der deutschen Pfingst- und Charismatischen Bewegung


Dissertationsprojekt „Jugendliche in der deutschen Pfingst- und Charismatischen Bewegung“

Pfingst- und charismatische Gemeinden wenden sich den Heranwachsenden auf doppelte Weise zu: sowohl auf konventionellerem Wege (mit festen Altersschranken) als auch auf modernerem Wege (i. d. R. offen für jedermann). Zum konventionelleren Teil der Jugendarbeit gehört sowohl der gemeinpfingstlerische Pfadfinderdienst der Royal Rangers mit altersspezifischen Einzelgruppen als auch Glaubenskurse, Schülertreffs und (meist wöchentlich stattfindende) Jugendtreffs, zu denen Teenager und Jugendliche aus einer bestimmten Gemeinde zusammenkommen. Mehrtägige Freizeiten mit Sportangebot und Gebetsaktivitäten schaffen eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit (Peer-Group-Gefühl).

Je nach Verband gibt es zusätzliche, modernere Angebote für junge Leute: BFP („Youth Alive“; Jugendkirchen z.B. „Deinhaus Berlin“), Mühlheimer Verband (Jugendkirchen z.B. „Jugendkirche Marzahn“, „JUMP Mühlheim“). Einige Gemeinden bieten zudem Tanzgruppen an, in denen zu aktuellen Musikstilen (Pop, Hip Hop) getanzt wird. In freien Gemeinden und Missionswerken (z.B. TOS, The Call Berlin) können Jugendliche auch an Themenorientierten Schulungen teilnehmen.

Außerdem gestalten Jugendliche vielfach eigene Homepages, die neben Foren zu verschiedenen Glaubens- und Lebensthemen bisweilen auch Chats beinhalten und die Möglichkeit bieten, weit über lokale Grenzen hinaus Kontakte zu anderen Jugendlichen aufzunehmen. In Chats können sich thematische Gruppen bilden, die sich von nicht-virtuellen Jugendveranstaltungen dadurch unterscheiden, dass sie eben nicht mit den üblichen Verbindlichkeitspostulaten auftreten, sondern ihr Angebot niederschwellig an alle Interessierten richten. Anders gesagt, es ist ohne weiteres möglich, als Mitdiskutant an der virtuellen Jugendgruppe teilzunehmen, ohne zugleich auf die Zugehörigkeit zu divergenten Jugendgruppen zu verzichten. Dadurch kann Außenstehenden der Zugang weitaus leichter fallen als durch Vor-Ort-Veranstaltungen mit sichtbarer persönlicher Einbindung.


Events wie Jugendgottesdienste, Discos, Bandauftritte, Gebetsnächte runden das modernere Angebot ab. Gegenüber traditionellen offen pfingstlerischen Veranstaltungen, die von der Gemeindeleitung organisiert werden und Jugendliche deutlicher für das Angebot verpflichten sollen, sind modernere Unternehmungen, die häufig von den Jugendlichen selbst ins Leben gerufen werden, nicht unbedingt sofort als pfingstlerisch zu erkennen und können auf diese Weise den Kreis der Besucher, die aus nichtpfingstlerischen Zusammenhängen kommen, sichtbar vergrößern. 

Die moderne pfingstlerische Jugendarbeit geht davon aus, dass es den Jugendlichen nicht genügt, während des Erwachsenenhauptgottesdienstes eine Beschäftigung zu haben. Darum stellen innergemeindliche Jugendgottesdienste bzw. außergemeindliche Jugendkirchen die Themen, Relevanzen und Regeln der Jugendlichen in den Mittelpunkt. Musik spielt dabei eine herausragende Rolle; im Vordergrund steht der christliche Hip Hop. Da „Jugend“ jedoch nicht einheitlich ist, also nicht alle Heranwachsenden sich zur Hip-Hop-Szene zugehörig fühlen, bleiben diejenigen, die an anderen Szenen partizipieren (Punk, Techno, Gothic) weitgehend außen vor.


Zielsetzungen

Grundlage ist ein Überblick über die Jugendarbeit der pfingstlich-charismatischen Bewegung in Deutschland (Welches Angebot an Gruppen und anderen Gemeinschaftsformen finden die Jugendlichen vor?). Davon ausgehend möchte ich untersuchen, welche Einzelgruppen  in welcher Form miteinander vernetzt sind (bloße Vor-Ort-Peer-Groups oder delokalisierte Szenenbildung) und inwiefern es gemeinsame Inhalte und Formen – in der traditionellen und der modernen pfingstlerischen Jugendarbeit - deutschlandweit gibt.


Dazu gehe ich folgenden Fragen nach:

1. Geschichtliche Entwicklung (Zeit und Umstände der Entstehung; Gründer; Vorbilder; Einflüsse anderer Jugendkulturen),
2. Quantifizierbare Daten (feststellbare Gruppengröße, Alters- und Geschlechterverteilung, erkennbares Herkunftsmilieu der Teilnehmer),
3. Organisation,
4. Besondere Themen der jeweiligen Gruppe,
5. Einstellungen und Lebensvollzug der Akteure (Inwieweit reichen die herkömmlichen Handlungsformen der Gruppe über die Vor-Ort-Veranstaltung hinaus und in welcher Form gelingt es, die Teilhabe an der pfingstlerischen Jugendgemeinschaft in das Alltagsleben einzugliedern? Geschlechterrollen; Glaubensgrundlagen; Abgrenzung nach außen),
6. Veranstaltungsorte und -zeiten (Gestaltung; Verweildauer),
7. Ästhetisch-stilistische Merkmale (Demonstration der Gruppenzugehörigkeit durch Kleidung bzw. Accessoires?),
8. Musik (Gibt es eigene Bands, Labels, die überregionale Akzeptanz finden? Gibt es Annäherungen an die nichtpfingstlerische und vor allem nichtchristliche Hip-Hop-Szene?),
9. Medien (Wer gestaltet sie? Welche Medien werden für welche Zwecke genutzt? Wie stark nutzen Gruppenmitglieder virtuelle Angebote?),
10.Strukturen (Welches Know How und welche Leistungen müssen erbracht werden, um als „VIP“ zum inneren Kern des Organisationsteam vorzudringen? Wie fest binden sich die Akteure an die Gruppe?).


Forschungsmethoden

-  Nicht-Standardisierte Interviews zu oben genannten Fragen mit Jugendlichen und Vertretern der Gemeinden,
- Teilnehmende Beobachtung bei traditionellen und modernen Jugendveranstaltungen. Zudem Beobachtung und Nutzung von Internetportalen.
- Analyse von schriftlichen und mündlichen Primärtexten (Literatur, Zeitschriften, Liedertexte, Predigten, Prophetien etc.)

Erkenntnisleitende Fragestellungen

Übergeordnet über die oben genannten Einzelfragen, geht es in erster Linie um die Selbstwahrnehmung der Jugendlichen und Wahrnehmung durch die Gemeinden:

Wenn Pfingstbewegung sich nicht nur durch Inhalte und Formen, sondern durch eine durchgehende Netzwerkstruktur konstituiert, und gleichzeitig Jugend heute nicht mehr nur eine bloße Übergangszeit zwischen Kindheit und Erwachsensein darstellt, stellt sich die Frage, inwieweit sich die pfingstlerische Jugend noch in Gemeinden eingliedern lässt oder inwiefern sie längst ein letztlich eigenes, möglicherweise noch nicht offenes Gemeindenetzwerk errichtet hat. In welche Richtung stoßen die Gemeindeleitungen: Abnabelung oder Versuche, den Nachwuchs erneut einzubinden?
 

Beitrag von:

Claudia Hesse-Böhme

Stuttgart
Zuletzt verändert: 06.01.2007 12:28