REZENSION: Afeosemine Adogame, Roswith Gerloff und Klaus Hock (Hrsg.), Christianity in Africa and the African Diaspora. The Appropriation of a Scattered Heritage, London: Continuum, 2008.
von Anna Quaas
Fast dreißig Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten und Fachdisziplinen (Religionswissenschaft, Theologie, Geschichte, Anthropologie und Soziologie) sind in dem Sammelband 'Christianity in Africa and the African Diaspora' zu Wort gekommen.
Anlass für die Entstehung des
Sammelbandes war eine internationale Konferenz des Council of
Churches of an African Approach in Europe (CCAAE), die im November
2003 in Hirschluch bei Berlin stattfand. Die Konferenz hatte das
Ziel, die historischen und soziopolitischen Auswirkungen der
kolonialen Aufteilung Afrikas im Gefolge der Berlin-Kongo-Konferenz
zu studieren, die Rolle christlicher Mission im kolonialen Kontext
kritisch zu beleuchten und die Auswirkungen der Präsenz diverser "indigenous movements...emanating from the two-thirds world" (S.
3) in Europa zu untersuchen.
Neben Experten aus Europa und
Nordamerika konnten die Veranstalter der Konferenz namhafte
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ghana, Nigeria, Kenia,
Südafrika und Simbabwe für eine Teilnahme an der Konferenz
gewinnen. Um „misinterpretation and further exploitation“ (S. 3)
zu vermeiden, wurde außerdem Wert darauf gelegt, dass sich sowohl
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Repräsentanten der
untersuchten Kirchen an der Konferenz beteiligten.
Die Beiträge des 2008 erschienenen Sammelbands sind folgenden vier Oberbegriffen zugeordnet: 'Historical Developments' (Teil I), 'Gender Perspective' (Teil II), 'Charismatic/Pentecostal Perspectives' (Teil III) und 'Diasporic Perspectives' (Teil IV).
Die im ersten Teil gesammelten Aufsätze decken ein breites Spektrum an Themen und Fragestellungen ab: Etwa beschäftigen sie sich mit dem Einfluss des Kolonialismus auf die Entwicklung der Kirchen in Afrika bzw. Nigeria (Akinwumi, Ayegboyin), der Geschichte der baptistischen und anglikanischen Kirchen auf dem afrikanischen Kontinent (Pierard, Ward) oder der politischen Rolle der Kirchen in Befreiungsbewegungen in Südafrika und Simbabwe (Chitando). Weiter wird das 'Dictionary of African Christian Biography' (http://www.dacb.org/) als Ausgleich einer auf die westliche Welt reduzierten Geschichtsschreibung vorgestellt und als "modest first step in bringing our ecclesiastical maps up to date" (Bonk, S. 30). Ebenso wie Bonk im Blick auf die Geschichtsschreibung plädiert Akrong im Blick auf das Missionsverständnis dafür, tradierte Paradigmen zu überwinden und an die Stelle der "old mission order of 'God, power and domination'" (S.71) ein holistisches Missionsverständnis treten zu lassen, dessen Schlagworte 'God, people and transformation' sein sollten.
Trotz der Überschrift 'Gender
Perspective' geht es in Teil II ausschließlich um die Rolle von
Frauen.
Am Beispiel ausgewählter
nigerianischer Pfingstkirchen erläutert Bateye, dass pfingstliche
Frauen in Nigeria zunehmend die "stereotyped passive traditional
and supportive roles of women as characterized by most mission
churches" (S.113) zurückwiesen und Führungsaufgaben in ihren
Kirchen wahrnähmen. Crumbleys Beitrag beschäftigt sich mit der
Position von Frauen in Aladurakirchen sowie ihrer Repräsentation auf
den Internetseiten dieser Kirchen. Gaitskell erörtert die Rolle von
britischen Missionarinnen bzw. Missionarsgattinnen in Afrika. Der
letzte Beitrag unter der Überschrift 'Gender Perspective' stellt
'theological discourses' über HIV/AIDS vor (Botha); Gender-Fragen
werden darin allerdings nicht explizit behandelt.
Im dritten Teil, der
'Charismatic/Pentecostal Perspectives' verfolgt, stellen Ojo, Mwaura
und Asamoah-Gyadu, die zu den Experten für die Erforschung
afrikanischen Pfingstbewegung zählen, deren regionale Ausgestaltung
in Nigeria, Kenia und Ghana vor. Ojo legt darüber hinaus einen
besonderen Schwerpunkt auf die Prägung des Christentums durch die
nigerianische Pfingstbewegung in den umliegenden westafrikanischen
Staaten.
Asamoah-Gyadu stellt eine zunehmende
charismatische Prägung der etablierten Missionskirchen in Ghana
fest. Außerdem geht er auf ghanaische Diasporakirchen im westlichen
Ausland ein: Eine interessante Beobachtung ist dabei der von
Asamoah-Gyadu beschriebene Trend, dass Mitglieder von ghanaischen
Pfingstkirchen in der Diaspora zunehmend in Missionskirchen
zurückfänden, sobald im Ausland Zweiggemeinden etwa der
methodistischen oder anglikanischen Kirchen Ghanas gegründet würden
– ein Trend, der gegenläufig ist zu dem weitaus häufiger zu
beachtenden Zuwachs von Pfingstkirchen durch Mitglieder, die den
Missionskirchen den Rücken gekehrt haben.
Während in den Beiträgen von Ojo,
Mwaura und Asamoah-Gyadu die regionale Ausgestaltung der
Pfingstbewegung im Zentrum stehen, beleuchten zwei weitere Artikel
das Thema aus einer übergreifenden Perspektive: Gerloff bietet eine
Einführung in die globale Verbreitung der Pfingstbewegung und Harris
bedenkt ihre praktisch-theologischen Implikationen.
Ausführlich werden im letzten Teil des
Sammelbandes 'Diasporic Perspectives' behandelt. Herausragend sind in
diesem Teil die Beiträge von Hock sowie von Karagiannis und Glick
Schiller.
Hock erläutert, welche theologischen
Konnotationen der Diaspora-Begriff impliziert und welche Schwächen
dieser Begriff als analytische Kategorie mit sich bringt. Als
Alternative zum fragwürdigen Diaspora-Begriff schlägt er vor,
'Religion on the Move' als transkulturelles Phänomen zu untersuchen
und als ein "non-static, variable phenomenon
which is part of a 'poly-contextual' world" (242).
Identitätskonstruktionen wie 'African', 'Christian' oder 'diasporic'
seien auf ihren diskursiven Charakter hin zu befragen und als fluide
Phänomene zu verstehen.
Ähnlich richtungsweisend ist der
Beitrag von Karagiannis und Schiller, der ausgehend von der
Erforschung zweier Pfingstkirchen in Ostdeutschland "prevalent
perceptions of immigration and the corresponding policy" (275) in
Frage stellt.
'Historical developments' und
'Diasporic Perspectives' werden in den Beiträgen von Adogame und
Asaju miteinander ins Gespräch gebracht. Adogame skizziert Phasen
afrikanischer Migration nach Deutschland seit Beginn des 16.
Jahrhunderts und kommt zur Schlussfolgerung, dass "past false
images and perceptions" (260) von Afrikanerinnen und Afrikanern in
Deutschland nachwirkten und die Wahrnehmung afrikanischer Kirchen
prägten. Als ein Beispiel für die Nachwirkungen des Kolonialismus
und das Gefühl rassischer Überlegenheit nennt Asaju, dass der
Dienst anglikanischer Priester aus Nigeria in ihrer Kirche in
Großbritannien unerbeten und mit großen Schwierigkeiten verbunden
sei. Deswegen plädiert er für die Entwicklung einer "theology
of reconstruction that refines and re-defines the mission of the
church in a global context" (289).
Insgesamt ist in dem Band 'Christianity in Africa and the African Diaspora' eine beeindruckende Fülle unterschiedlicher Detailstudien zur Geschichte von Kirchen in Afrika und Kirchen afrikanischer Provenienz in Europa und Nordamerika gesammelt. Wie bereits im Titel des Bandes deutlich wird, lassen sie sich jedoch kaum unter ein gemeinsames Thema oder eine gemeinsame Fragestellung subsumieren. Hilfreich für einen übergreifenden Zugang zu den einzelnen Artikeln des Bandes ist der Index. Möglicherweise hätten sowohl die einzelnen Aufsätze als auch der Sammelband als Ganzer an Stringenz gewonnen, wenn als Ausgangspunkt für alle Beiträge das Konzept der 'Religion on the Move' gewählt worden wäre.
(Diese Rezension erschien zuerst in englischer sprache in PentecoStudies 10/1 (2011).)