REZENSION: Tobias Keßler und Albert-Peter Rethmann (Hg.): Pentekostalismus. Die Pfingstbewegung als Anfrage an Theologie und Kirche. Weltkirche und Mission Band 1, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 2012
von Sven Brenner
Die Grundlage der vorliegenden Publikation, herausgegeben von Tobias Keßler, (wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Weltkirche und Mission der Deutschen Bischofskonferenz), sowie Albert-Peter Rethmann, (ehemaliger Direktor des Instituts und ehemals Professor für Missionswissenschaft und interkulturellen Dialog an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt a.M.), bilden 12 Beiträge, welche an der ersten Jahrestagung des Instituts für Weltkirche und Mission vom 23. – 25. November 2010 in Frankfurt am Main vorgetragen wurden. Das Buch eröffnet als erster Band die neu herausgegebene Reihe „Weltkirche und Mission“, die sich als „Forum der theologischen Reflexion einer katholischen und ökumenisch offenen Missionstheologie im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil“ versteht. Ziel soll eine sachlich-kritische und gleichermaßen selbstkritische Beschäftigung mit verschiedenen Aspekten des Pentekostalismus sein, wobei der Begriff „Pentekostalismus“ in einem sehr umfassenden Sinn als Überbegriff für die verschiedensten charismatischen Gruppen und Pfingstkirchen dient.
Mitherausgeber Albert-Peter-Rethmann versucht im ersten Beitrag, dem Einführungsvortrag der Tagung, über „die geschichtliche Entwicklung der Pfingstbewegung und ihre Praxis“ eine gewisse Ordnung in die Vielfalt der verschiedenen Gruppen und Pfingstkirchen zu bringen. Dabei bedient er sich der bis heute immer noch populären, aber nicht unproblematischen, Dreiteilung, welche sich an den Phasen der nordamerikanischen Geschichte der Bewegung orientiert: die „klassische Pfingstbewegung“, „die charismatische Erneuerung in den historischen Kirchen“, sowie „die späteren, keiner Denomination angehörenden unabhängigen charismatischen Kirchen und Gruppierungen (Neopentekostal/Neocharismatiker)“.
Die erste Hälfte der Beiträge spiegelt den ersten Teil der Jahrestagung wider, der, entsprechend des austragenden „Instituts für Weltkirche und Mission“, drei regionale Schwerpunkte in den Blick nahm: Brasilien, die Philippinen, sowie das subsaharische Afrika. Die andere Hälfte der Beiträge spiegelt den zweiten Teil der Tagung wider, der den theologischen Orientierungen zu verschiedenen Bereichen des kirchlichen Lebens angesichts der entsprechenden, durch die Pfingstbewegung gegebenen, Anfragen gewidmet war: der Gemeindebildung und Liturgie, der Pneumologie und Ekklesiologie, sowie der Spiritualität und Gesellschaft. Allen Beiträgen ist gemein, dass die enorme globale Ausbreitung und das voranschreitende Wachstum des „Pentekostalismus“ als eine Herausforderung wahrgenommen wird, die nicht allein durch Verweise auf gewisse defizitäre Seiten des Pentekostalismus weggewischt werden kann, sondern dass er als eine sehr ernsthafte Anfrage an die etablierten Kirchen betrachtet wird. So werden Fragen hinsichtlich der dort praktizierten Verkündigungspraxis, der Gemeindebildung und –leitung, der Katechese und Gottesdienstgestaltung, der Rolle des Heiligen Geistes im christlichen Leben, dem Stellenwert von Emotionen in der Liturgie, dem Verhältnis von Spiritualität und sozialem Engagement sowie der Auswirkungen der christlichen Botschaft auf Gesellschaft und Politik in den Blick genommen. Die Forschungsfelder, sowie die methodische Herangehensweise sind dabei sehr unterschiedlich und vielfältig.
Eine Stärke des Buches ist sicherlich die Bandbreite der Artikel, welche die globale Realität wiederspiegelt; denn neben Fragen und Erkenntnissen aus „westlicher“ Perspektive, kommen Forscher und Forschungsfelder aus Brasilien, den Philippinen, Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo sowie Indien zu Wort. Die brasilianische Theologin Brenda Carranza, beispielsweise, befasst sich in ihrem Beitrag mit der „Pentekostalisierung der katholischen Kirche“ in Brasilien und deren Herausforderungen. Eine völlig andere Perspektive entfaltet Christl Kessler im darauf folgenden Beitrag, indem sie einen politologischen Blick auf die Pfingstbewegung in den Philippinen wirft. Grundlage sind hierbei die Ergebnisse einer vom deutschen Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI) in Zusammenarbeit mit dem Institute of Philippine Culture (IPC) der Ateneo de Manila University durchgeführten Studie zum religiösen Wandel auf den Philippinen aus dem Jahre 2003. Eine Definition des Begriffs „charismatische Christen“, die auf Karla Poewe zurückgeht, wird hier als substanziell für die Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand betrachtet. Auch der Soziologe und Politikwissenschaftler Paul Gifford setzt seinen Akzent, indem er sein Hauptaugenmerk auf die Besonderheiten der afrikanischen Pfingstbewegung legt, die zwar ein äußert komplexes Phänomen mit zahlreichen Facetten darstellt, aber für ihn doch Eigenschaften aufweist, welche die Pfingstbewegung im Süden Afrikas als Ganzes charakterisierbar machen. Jeder Beitrag muss daher anhand seines Forschungsfeldes und seiner methodischen Vorgehensweise für sich bewertet werden.
Durchweg scheint die Bezugnahme auf aktuelle Debatten über die Bestimmung des Forschungsgegenstandes, sowie der zentralen Begrifflichkeiten und Definitionen in der Erforschung der Pfingstbewegung zu kurz zu kommen. Demzufolge scheint bei einigen Beiträgen die Frage unreflektiert, wie sich die einzelnen Erkenntnisse einerseits zur Pfingstbewegung als Ganzes verhalten und andererseits wie diese innerhalb der eigenen methodologischen Grenzen verortet werden. Im Hinblick auf politische Tendenzen die für die gesamte Pfingstbewegung gelten sollten – etwa der philippinischen, wie dies etwa im Beitrag Kesslers stattfindet – scheint ein weitgefasster Begriff problematisch. Der Leser wünscht sich da mehr Kontext, um die Reichweite der Ergebnisse sachgemäß einordnet zu können.
Insgesamt gibt dieser 232 Seiten starke Band aber sehr interessante Einblicke in verschiedene Forschungsfelder und Arbeitsweisen und eröffnet dem Leser somit mancherlei neue Perspektive. Die Fußnoten und Literaturhinweise der einzelnen Artikel können zudem als eine erste Grundlage für vertiefende und weiterführende Studien dienen. Hilfreich ist auch das ganz am Ende zu findende Autorenverzeichnis, da dem Leser sicherlich der eine oder andere Name neu sein dürfte. Insgesamt ein aufschlussreiches und gut zu lesendes Werk.
ISBN: 978-3-791-72436-2 266 Seiten Preis: €39,95 Weitere Verlagsinformationen...