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REZENSION: Maik Sadzio, Kulturenwende. Transkulturelle und transreligiöse Identitäten – Auswertung einer empirischen Studie unter pädagogischen MultiplikatorInnen in Belém-Pará/Brasilien. München: Transkulturelle Edition, 2010.

von Daniel Frei

Der Autor geht in seiner Arbeit von der These aus, dass sich sowohl in Brasilien als auch in Deutschland multikulturelle und transreligiöse Identitäten entwickelt haben. Da Brasilien über eine lange Tradition im Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Prägungen verfüge, könnten Lernerfahrungen aus diesem Kontext hilfreich sein für die vergleichsweise kurze Entwicklung Deutschlands hin zu einem multikulturellen Land. 

Im einleitenden Teil A (29-131) erarbeitet der Autor den Forschungsstand, indem er in die Entwicklung transkultureller und transreligiöser Identitäten einführt. Dabei wird auch die religiöse Orientierung Jugendlicher in einem sich rasch Wandelnden gesellschaftlichen Umfeld untersucht. Spezifisch für den brasilianischen Kontext findet sich eine Analyse der neuen Pfingstkirchen und derer fundamentalistischer Tendenzen (66-82). 

Die Arbeit ist sorgfältig aufgebaut und im Theorieteil durchwegs einleuchtend begründet, wobei pädagogische, sozialpsychologische und psychoanalytische Fragestellungen angelegt werden. Der psychosymbolische Zugang zur menschlichen Existenz bietet neue Erkenntnisse und zeigt die hohe Kompetenz des Autors als Mitglied des Instituts für Psychosymbolik.

Theoretische Überlegungen und Angaben zur Durchführung der Erhebung führen im Teil B (133-155) in die Feldstudie ein, die unter pädagogischen Multiplikator/-innen aus fünf unterschiedlichen soziokulturellen und religiösen Gruppen in Belém-Parà in Brasilien durchgeführt wurden. Dabei wurden 22 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren durch eine Arbeitsgruppe der Universität von Amazonien eingehend befragt. Die Ergebnisse der fünf Studien werden im umfangreichen Teil C einheitlich ausgewertet und übersichtlich dargestellt (156-323). Der abschließende Teil D (324-353) mit der Sicherung der Ergebnisse fällt dagegen vergleichsweise kurz aus.

Leuchtet die Anlage und Durchführung der Studie unmittelbar ein, so bleiben doch Anfragen an den beabsichtigen Transfer der Erkenntnisse auf die multireligiöse Situation Deutschlands. Auch bei aller kulturellen Durchmischung fallen doch große Unterschiede einerseits zwischen den untersuchten Gruppen, mehr aber noch zwischen den Kontexten Brasiliens und Deutschlands auf. Konnten in Brasilien afrobrasilianische Kulte oder Pfingstkirchen nur in Abgrenzung und im Widerstand zum religiösen Monopol der katholischen Kirche gedeihen, bildete sich die multireligiöse Landkarte Deutschlands im Gefolge der tendenziell religionsfeindlichen Säkularisierung Europas heraus, wobei der Islam als jüngste der monotheistischen Religionen in Deutschland das säkularisierte Staatsmodell neu herausfordert. Während das starke Wachstum von Pfingstkirchen in Brasilien zu einem Wettstreit eng verwandter religiöser Systeme führt, entkirchlicht sich Europa zusehends und eine Vielzahl religiöser „Bricolage“ Identitäten entwickelt sich. Welche spezifisch deutschen Fragestellungen konnten durch diese Untersuchung fruchtbar gemacht werden (13f.)? Die untersuchten fünf brasilianischen Gruppen verhalten sich religiöser Durchmischung gegenüber sehr unterschiedlich – von uniformer Einheit und fragmentarischer Vielfalt (19). Was bleibt, ist der Eindruck eines kreativen Umgangs der brasilianischen Gruppen mit unterschiedlichen religiösen Deutungssystemen die weniger zu Ausgrenzung sondern vielmehr zu einem dynamischen Wettbewerb führen.

 

ISBN: 978-3-839-15006-1 (Paperback)
384 Seiten
Preis: €30,-
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Zuletzt verändert: 18.03.2014 10:24