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REZENSION: Giovanni Maltese, Geisterfahrer zwischen Transzendenz und Immanenz. Die Erfahrungsbegriffe in den pfingstlich-charismatischen Theologien von Terry L. Cross und Amos Yong im Vergleich, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2013.

von Matthias Baum

Die vorliegende Arbeit von Giovanni Maltese thematisiert die Erfahrung des Geistes in pfingstlich-charismatischen Theologien. Als Referenzrahmen dienen die pfingsttheologische Entwürfe der beiden amerikanischen Professoren Terry L. Cross (Lee University/USA) und Amos Yong (Regent University/USA). Maltese gliedert seine Arbeit in drei Teile: Der erste Teil untersucht den Erfahrungsbegriff Cross’, der zweite Teil den Erfahrungsbegriff Yongs und der dritte abschließende Teil vergleicht diese beiden Erfahrungsbegriffe miteinander und würdigt sie kritisch.     

Im ersten Teil seiner Arbeit zeigt Maltese, dass der Erfahrungsbegriff bei Cross durchaus vielschichtig ist: Cross geht es weniger um die Erfahrung im Allgemeinen als vielmehr um die Erfahrung Gottes durch den Heiligen Geist im Besonderen (32). Diese revelatorisch verstandene Erfahrung kann laut Cross zwar kontextuell vermittelt sein, sie muss es aber nicht (35). Sie tritt auch als unvermittelte Erfahrung auf. Cross ist sich dabei durchaus im Klaren, dass die Möglichkeit einer kontextlosen Erfahrung ein Paradox darstellt. Die Unmöglichkeit, Gott unmittelbar zu fassen, wird durch den Heiligen Geist jedoch eine Möglichkeit (42). Cross stellt außerdem heraus, dass die Erfahrung nicht auf das Gefühl reduziert werden darf. Sie ist holistisch und umfasst neben Momenten des Gefühls und des Kognitiven auch Äußerlich-Körperliches. Doch obwohl Cross Erfahrung als holistisch begreift, ist sie vorsprachlich. Da die Unmittelbarkeit Gottes direkt durch den Heiligen Geist erfahren werden kann, stellt die Sprache einen „Zugang zweiter Ordnung“ (63) dar, weshalb auch die Schrift als Versprachlichung der unmittelbaren Offenbarung Gottes in Jesus Christus nur abgeleiteten Charakter besitzt. Maltese arbeitet heraus, dass die zentrale Denkform, der sich Cross bedient, um seinen vielschichtigen Erfahrungsbegriff zu vermitteln, die Dialektik ist, mit deren Hauptvertretern er sich explizit auseinandersetzt. Neben Platon und Hegel bilden vor allem Kierkegaard und Barth die Gesprächspartner, mit denen Cross interagiert (82). Maltese zeigt hier eindrücklich, dass Cross bestrebt ist, seinen Ansatz ins Gespräch mit klassischen Theologietraditionen zu bringen.

Der zweite Teil von Malteses Arbeit widmet sich dem Erfahrungsbegriff von Yong. Im Unterschied zu Cross geht Yong nicht von einer besonderen offenbarungstheologisch qualifizierten Erfahrung aus, sondern von der Erfahrung im Allgemeinen. Yong stellt dabei die Fundamentalbedeutung der Erfahrung heraus, wenn er feststellt, dass der Mensch nicht der Seinsgrund der Erfahrung, sondern die Erfahrung der Seinsgrund des Menschen ist. Erfahrung konstituiert Menschsein, da sich in der Erfahrung dem Menschen eine von ihm unterschiedene Wirklichkeit erst erschließt (137). Ausgehend von einer an Peirce orientierten Metaphysik und Ontologie postuliert Yong, dass die Erfahrung als ein die Wirklichkeit erschließendes Geschehen vom Geist gewirkt ist. Als ein pneumatologisch qualifiziertes Erschließungsgeschehen erfolgt Erfahrung durch semiotisch vermittelte Imagination. Diese Imaginationsfähigkeit, durch die der Mensch die Wirklichkeit durch Zeichen und Symbole abzubilden vermag, bringt Yong in Verbindung mit der imago dei, der Gottebenbildlichkeit des Menschen (162). Doch Yong geht noch weiter. Die gesamte Struktur des menschlichen Erkennens setzt er in Analogie zu der Struktur Gottes: beide vollziehen sich triadisch. Abduktion, Deduktion und Induktion bilden die Dreiheit des menschlichen Erkennens analog zur Dreiheit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist (159). Im Unterschied zur Erkenntnis Gottes zeichnet sich menschliche Erkenntnis nach Yong dadurch aus, dass sie grundsätzlich fallibel ist. Das bedeutet für Yong, dass die durch methodisch gestützte Imagination gemachten Erfahrungen und die reflexiven Ansprüche, die in diesen Erfahrungen gründen, sich diskursiv in der „Community wahrheitssuchender Gemeinschaften“ bewähren müssen, wenn sie mehr als subjektive Gültigkeit beanspruchen wollen (176).     

Im dritten und letzten Teil seiner Arbeit stellt Maltese die Entwürfe von Cross und Yong einander gegenüber und würdigt diese kritisch. Den Titel seiner Arbeit aufnehmend fragt Maltese, ob die Geisterfahrer Cross und Yong als Geisterfahrer gelten müssen, die ihre Theologie „gegen die gewohnte Fahrtrichtung darstellen“ (208). Auch wenn Maltese sich in der grundsätzlichen Bewertung stark zurückhält, so stellt er doch einige Warnschilder für seine beiden Geisterfahrer auf. Während er bei Cross moniert, dass dieser weder das Paradox der unmittelbaren Gotteserfahrung in ein die Gegensätzlichkeit überwindendes Drittes auflöst noch über die epistemologischen Grundlagen seines Denkens Rechenschaft ablegt, wirft er Yong vor, ein etwas zu spekulatives Universalsystem zu postulieren, das von einer Vielzahl von Totalitäten ausgeht, die sich menschlicher Überprüfbarkeit grundsätzlich entziehen.     

Maltese gelingt mit seiner Arbeit ein anregender Beitrag zur Erforschung der Pfingstbewegung. Maltese zeigt, dass die Pfingstbewegung nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt wissenschaftlicher Forschung ist. Cross und Yong bemühen sich, pfingstlich-charismatische Theologien zu verwissenschaftlichen und akademisch anschlussfähig zu machen. Wie geistreich die Arbeit von Maltese an vielen Stellen auch ist, sie macht es dem Leser nicht gerade leicht. Das gesamte Arsenal systematisch-theologischer Fachbegriffe wird aufgefahren, wodurch der Leser den Eindruck gewinnt, hier weniger eine Studie über Pfingsttheologie als vielmehr ein pfingstlich-charismatisches Repetitorium der Dogmatik vor sich liegen zu haben. Ferner ist auffällig, dass Maltese die gegensätzlichen Erfahrungsbegriffe von Cross und Yong in einem großen Detailreichtum darstellt, ohne jedoch einem der beiden Konzepte den Vorzug zu geben. Diese Monita sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass man bei der Lektüre der vorliegenden Arbeit mit einer in vielerlei Hinsicht inspirierenden Leseerfahrung rechnen kann.

 

ISBN: 978-3-8471-0151-2 (gebunden)
247 Seiten
Preis: €39,99
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Zuletzt verändert: 17.07.2014 11:41