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REZENSION: Thorsten Walter Storck, Die Ausstrahlung Gottes. Eine Analyse medialer Selbstrepräsentationen pfingstlich-charismatischer Christen in Deutschland. Dissertation, Heidelberg: Institut für Ethnologie, Universität Heidelberg, 2008.

von Claudia Hesse-Böhme

Thorsten Walter Storck legt für seine ethnologische Dissertation reichlich Videomaterial der relativ kleinen pfingstlich-charismatischen Gemeinde „Die Taube Heidelberg e.V.“ vor. Aus vierzig Videomitschnitten mit einem Umfang von fast achtzig Stunden wählt er neun Sendungen aus, die in dichter Form Einblick in eine Palette charismatischer Frömmigkeitsformen geben. Diese Aufzeichnungen der „Heilungstage“ (2005) fanden im Berliner Kabelnetz und über sonstige Datenträger Verbreitung. Zudem standen sie noch zwei Jahre nach den Veranstaltungen im Internet auf der Homepage zum kostenlosen Abruf bereit, was ihren Stellenwert in der Traditionsbildung und für die Selbstrepräsentation der Gemeinde zeigt. Storck zieht also Quellen heran, die vom Leser nachvollzogen werden können und seiner ethnographischen Arbeit damit einen großen Pluspunkt verleihen. Um die Sorgfalt seiner wissenschaftlichen Arbeit gewährleisten zu können, hat er die Veranstaltungen außerdem teilnehmend beobachtet.

 

In der Bundesrepublik muten pfingstlich-charismatische Glaubensformen für weite Teile der Gesellschaft eher ungewohnt und teilweise sogar „mittelalterlich“ an. Storck ergreift als Ethnologe mit seiner Arbeit die Gelegenheit, Aufschluss zu geben über die Hintergründe sowohl des Gesamtablaufs der Gottesdienste als auch bestimmter Handlungsformen, wie beispielsweise das Beten über Tüchern und das Ruhen im Geist.

 

Seine zentralen Fragestellungen sind: Wie repräsentieren pfingstlich-charismatische Christen ihren Glauben? Wie machen sie von modernen Medien Gebrauch? Welche Bedeutung haben die modernen Technologien für ihre Missionsbestrebungen? Mediale Produkte pfingstlich-charismatischer Christen in der Bundesrepublik wurden bislang nur am Rande berücksichtigt, so dass die Studie eine Lücke schließt zwischen medienethnographischen, soziologischen und theologischen Forschungen. Storck schildert, dass moderne Medien neben der Weitergabe von Informationen in erster Linie als Kanal dienen sollen, „durch den der Heilige Geist zu den Menschen fließt und wirken kann“.

 

Die Dissertation setzt sich aus neun Kapiteln zusammen, wobei die einzelnen Teile stets durch begründende Hinweise miteinander verbunden sind und den Leser dadurch zügig durch die Arbeit leiten.

 

Die einzelnen Kapitel sind

  • Allgemeinverständliche Einführung in den Forschungsgegenstand (Kapitel 1: S. 4-32)
  • Begründung sowohl der angewandten Methoden (Teilnehmende Beobachtung, Experteninterviews, Medienanalyse) als auch der Methodologie (in weiten Teilen nach Paul Radin) (Kapitel 2: S. 34-48)
  • Standardisierter Aufbau der veröffentlichten Videos der Gottesdienste (Kapitel 3: S. 50-60).

 

Im weiteren empirischen Teil arbeitet Storck die besondere Bedeutung dreier Aspekte in pfingstlich-charismatischen Gottesdiensten heraus. Es sind dies

  • Körperlichkeit / Somatisierung (Kapitel 4: S. 62-106)
  • Emotion / Emotionalisierung (Kapitel 5: S. 108-121) und
  • Erleben / Verzauberung (Kapitel 6: S. 123-150).

 

Alle drei Verfassungen können aus pfingstlich-charismatischer Sicht nicht nur im Gottesdienstraum anwesende Teilnehmer erreichen, sondern ebenso Zuschauer an ihren Bildschirmen zu Hause. Folgt man dieser Medientheorie, ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass Internetzuschauer - mitunter zeitversetzt - geheilt bzw. bekehrt werden können. Dies ist die Triebfeder für „die Ausstrahlung Gottes“ – weniger die Anwerbung neuer Mitglieder. Damit dient die Medienarbeit zudem der „geistlichen Kriegführung“. Storck arbeitet heraus, dass die Selbstexternalisierung der Gemeinde und deren Selbstkonstitution ein weiteres Motiv für die mediale Aktivität der Gemeinde darstellt.

 

Kapitel 7 (Religion im gesellschaftlichen Kontext, S. 152-174) und Kapitel 8 (Moderne Medien, Magische Medien, S. 176-227) binden die mediale Selbstexternalisierung der Gemeinde „Die Taube Heidelberg e.V.“ an die gegenwärtige Diskussion um die Religionszugehörigkeit und aktuelle Medientheorien zurück.

 

Am Ende der Arbeit steht das Resümee (Kapitel 9, S. 228-234), das alle Gedankenschritte noch einmal aufnimmt. Die Schlussbetrachtung rundet die Arbeit ab, da sie die Frage nach der Anordnung der Kapitel im Inhaltsverzeichnis schließlich beantwortet und in der Rückschau die Relevanz dieser Arbeit ins Blickfeld rückt.

 

Thorsten Walter Storcks Dissertation ist online unter http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/volltexte/2008/8513/pdf/PromotionStorck2.pdf verfügbar.

 

Zuletzt verändert: 28.09.2010 22:25