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REZENSION: Claudia Währisch-Oblau und Henning Wrogemann (Hgg.), Witchcraft, Demons and Deliverance: A Global Conversation on an Intercultural Challenge. Wien: LIT, 2015.

von Judith Bachmann

Der von Claudia Währisch-Oblau und Henning Wrogemann herausgegebene Sammelband Witchcraft, Demons and Deliverance , der bei LIT in der Reihe Beiträge zur Missionswissenschaft/Interkulturellen Theologie (Bd. 32) erschienen ist, führt Beiträge zusammen, die in drei verschiedenen Kontexten entstanden sind. Diese sind zum einen die Vorträge einer Konferenz der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM), die unter dem Titel Witchcraft, Magic, Demon Beliefs and Deliverance vom 24.-26. Oktober 2014 in Wuppertal stattfand. Zum anderen sind es Kirchendokumente, die von internationalen Partnerkirchen der VEM im Zusammenhang mit VEM-Workshops erarbeitet wurden.

Mit diesem breiten Horizont stellt die Beitragssammlung den Versuch dar, eine – wie es im Untertitel heißt – weltumspannende Konversation über eine interkulturelle Herausforderung anzustoßen. Dabei wird von Anfang an deutlich, dass sich die Herausforderung je nach Kontext der Autoren unterschiedlich darstellt. Der Einleitungssatz „You cannot be serious!“ (7), mit dem die Herausgebender ihre Einleitung eröffnen, bringt typische Reaktionen auf den Punkt, denen sie sich im Vorfeld der Konferenz stellen mussten. Sie schildern, wie Hexerei und Dämonen bestenfalls als Aberglaube oder / und als Relikte mittelalterlicher Weltanschauungen wahrgenommen werden; eine akademische Beschäftigung mit dem Thema stieß durchweg auf großes Unverständnis. Im Gegensatz dazu besteht die Herausforderung der VEM Partnerkirchen darin, auf eine Realität zu reagieren, die zur alltäglichen Gemeindepraxis gehört.

Die insgesamt 14 Beiträge, die auf eine Einleitung der Herausgeber folgen, sind in drei unterschiedlich große Teile geordnet. Der erste Teil, der mit Demons and Deliverance in Different Contexts überschrieben ist, stellt mit sieben Artikeln den umfangreichsten Block dar (S. 17-186). Der zweite Teil, der Challenges to the Churches and Theological Education heißt, bietet vier Aufsätze, die Antwortmöglichkeiten protestantischer Kirchen erörtern sollen und sich alle konkret am Befreiungsdienst orientieren (S. 187-267). Der dritte Teil enthält die bereits erwähnten Kirchendokumente.

In seinem Aufsatz African Pentecostalism, Deliverance and Healing (17-40), beschreibt der Ghanaische Theologe und Pentekostalismusforscher J. Kwabena Asamoah-Gyadu Hexerei, wie sie gegenwärtig in Ghana anzutreffen ist, als das Produkt eines Amalgams aus traditionellem und biblischem Hintergrund, das insgesamt ein resistentes übernatürliches Weltbild voraussetzt. Er folgt dabei dem Narrativ einer zunehmenden Afrikanisierung des Christentums, die dazu geführt habe, dass afrikanische Konzepte sich mit christlichen verwoben. Hierbei wirft er auch einen kritischen Blick auf die mediale Darstellung von Hexerei in Filmen und Zeitungsartikeln, sowie auf die „schwache Leidenstheologie“ (31) des zunehmend erstarkenden Prosperity Gospels.

Im Beitrag Discourses on Demonology in North America (41-68) bietet der in USA lehrende Missiologe Scott Moreau einen Literaturüberblick zu den aktuellen Debatten, die in Nordamerika rund um das Schlagwort Dämonen geführt werden. Die methodische Annäherung an seinen Untersuchungsgegenstand beschreibt er anhand der kulinarischen Metapher des Tapas-Gerichts. Wie kleine Appetithäppchen, die zu einem Hauptgang zusammengestellt werden, bringt Moreau in seinem sogenannten „Tapas-Ansatz“ (42) diverse Einzelthemen zusammen, die er nacheinander traktiert und um den Begriff Dämonologie herum organisiert. Eine Stärke dieses Artikels besteht darin, dass er auch andere wissenschaftliche Disziplinen auf ihre Beiträge zu einer nordamerikanischen Dämonologie hin befragt und somit die in Forscherkreisen immer wieder begegnende Reduktion problematisiert, infolge der das Thema als „unwissenschaftlich“ bezeichnet. (Dies spiegelt auch die Spannung, mit der der Sammelband im akademischen Umfeld umgehen muss.) Ungeachtet dieser kreativen methodischen Rückbindung wirkt die allzu große Bandbreite an Stimmen, die Moreau zu Wort kommen lässt, um sein Tapas-Gericht zu servieren, jedoch wenig plausibel, teilweise sogar irritierend. Wenn er neben wissenschaftlichen, nicht-christlichen und christlichen Akteuren, auch Beiträge aus afrokaribischer Religion und Satanismus hinzuzieht, die höchstens von außen als Teil der nordamerikanischen Dämonologie eingestuft werden können, fragt sich die Leserin, wie sich alle diese Teile zueinander verhalten.

Der Artikel Geographics of the Occult and the Divine. Pentecostal Semiotics of Urban Space in Kinshasa (69-92) von Katrien Pype konzentriert sich hingegen auf die Pfingstbewegung in der kongolesischen Hauptstadt, insbesondere auf die missionierende Theatergruppe CINARC. Hierbei werden die Zuweisungen des Dämonischen in den Blick genommen, die von CINARC vorgenommen werden. Pype spricht hierbei von pfingstlichen Praktiken durch die neue soziokulturelle und politische Räume entstehen („space-making processes“, S. 72). Die belgische Ethnologin bietet in ihrem Beitrag eine große Fülle an Beispielen für pfingstliche Dämonisierungen von Orten, welche die Pluralität ihres Untersuchungsgegenstands und die sozialen Effekte von „Okkultismus“-Zuschreibungen klar vor Augen führen. Weniger deutlich ist dabei allerdings, woher diese Zuweisungen kommen und warum bzw. inwiefern sie für die Pfingstler plausibel sein könnten.

Zu einem durchweg negativen Urteil sämtlicher Auseinandersetzungen mit Dämonen, wie sie in der ghanaischen Filmindustrie begegnet, gelangt der Beitrag des deutschen Ethnologen Felix Riedel, der den Titel Sickening Demons – Some Notes on the Psychosomatics of Ghanaian Films (93-108) trägt. Die Untersuchung basiert auf umfangreichem ethnographischen Datenmaterial, das Riedel selbst während intensiver Feldforschungsaufenthalte in Ghana erhoben hat. In Abgrenzung zu Evans-Pritchard deutet Riedel Hexerei nicht als ein in sich logisches System, sondern als ein „krankes“ Gefüge – eines, das der Psychoanalyse bedarf. Hexerei erkläre gar nichts; Anschuldigungen, die im Zusammenhang mit Besessenheit artikuliert werden, stellten nur die Übertragung von Schuldgefühlen dar. Mit Blick auf den gesamten Sammelband, sprich im Vergleich zu den übrigen Texten, steht der Beitrag Riedels, in dem sich der Autor dezidiert als Atheist bezeichnet, etwas abseits. Erstere orientieren sich erkenntnistheoretisch stärker am „linguistic turn“, insofern sie versuchen, die inhärente Plausibilität der untersuchten Praktiken und Akteure als Ausgangspunkt zu wählen. Mit der Platzierung dieses Beitrags in der Mitte des ersten Teils, betonen die Herausgeber die Notwendigkeit, das „globale Gespräch über eine interkulturelle Herausforderung“ (Untertitel) als kontroverse Auseinandersetzung zu führen und die ethischen Fragen, die mit Blick auf diverse Praktiken und Deutungen auftreten und die Riedel in seinem Beitrag thematisiert, nicht zu ignorieren.

In seinem Beitrag „Normadic Demonology“ – Prayer Manuals, Geo-politics and Cultural Contact in Ghanaian Demonologies (109-136) untersucht der Theologe Andreas Heuser die Dämonologie bzw. das Konzept der geistlichen Kampfführung („Spiritual Warfare“), wie sie in den Theologien von zwei ghanaischen Geistlichen unterschiedlicher pfingstlicher Strömungen begegnet. Hierbei treten sehr verschiedene Deutungen von geistlicher Kampfführung zu Tage. Der charismatisierte Anglikanerpriester Dua-Agyeman bezieht den Kampf auf die Disziplinierung sexueller Lust und Versuchung. Der neopfingstliche Heward-Mills, ein Megakirchenpastor mit Schweizer Hintergrund, deutet den Kampf als Auseinandersetzung, in der es um eine „(Rück-)Eroberung“ („re-/conquering“, S. 132) des dunklen Europas durch die Missionare seiner Kirche geht. Die Frage, wie sich diese beiden Verständnisse von geistlicher Kampfführung zueinander verhalten, wird hierbei allerdings nicht eigens reflektiert. Eine Untersuchung der gemeinsamen Schnittstellen und der Auseinandersetzungen mit dem jeweiligen anderen Verständnis von geistlicher Kampfführung, die über die schlichte Tatsache hinausgeht, dass beide von „geistlicher Kampfführung“ reden, wäre hierbei hilfreich gewesen, sowogl die untersuchten Aussagen besser einordnen zu können, als auch Heusers Folgerungen nachvollziehbarer zu machen.

Der Beitrag des Pfarrers und Missiologen Markus Roser wirft die Frage auf: Witchcraft in Central Africa – Accusation and Persecution – Is There a Way Out? (137-166). Rosers These ist, dass Repressionsmechanismen, die im Zusammenhang mit Hexenprozessen stehen, nicht alternativlos sind, sondern aus der Plausibilität desselben Hexereidiskurses heraus überwunden werden können. Als Fallbeispiel stellt Roser einen konkreten Hexenprozess dar, in dem eine geschiedene alleinerziehende Frau angeklagt wurde, mittels eines durch Hexerei verursachten Blitzes, einen Kindesmord begangen zu haben. Auf der Grundlage phänomenologischer Beobachtungen leuchtet Roser mehrere Perspektiven des Prozesses aus und zeigt, wie eine Christianisierung von re-integrativen, indigenen Elementen, die zu einer Versöhnung in Christi Namen führen, weitere Tote verhindern und ein Ausweg aus dem Anschuldigung-Verfolgungs-Kreislauf darstellen können.

Dieser erste Teil des Bandes wird vom Aufsatz des Interkulturellen Theologen Henning Wrogemann zu Demons and Deliverance as a Challenge to Intercultural Theology abgeschlossen (167-186). Hier formuliert Wrogemann knifflige Fragen, die auf blinde Flecken der Theologie hinweisen. Zugleich fordert er die Interkulturelle Theologie heraus, Perspektiven (und vielleicht auch Antworten) bereitzustellen.  Mit einem hervorragenden Überblick zur Hexereiforschung (der allerdings unter der Überschrift Dämonologie erfolgt), bemüht er sich einerseits darum, „westliche Vorurteile“ („western prejudices“, S. 169) zu entkräften. Sein Aufsatz stellt aber auch den konstruktiven Versuch dar, auf der Suche nach ethischen „transcultural evaluative criteria,  which might be applied to the different practices of spiritual healing, deliverance or witch-hunting?“ (168), einen weiterführende Beitrag zu leisten. Insgesamt vermittelt der Aufsatz nicht nur zwischen den Beiträgen innerhalb des hier rezensierten Sammelbandes, sondern schlägt auch eine Brücke zu einer rezenten Veröffentlichung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, die den Titel Exorzismus. Zur Renaissance einer umstrittenen Praxis trägt (EZW Heft 236/2015). Dort findet sich auch eine deutsche Übersetzung des hier besprochenen Artikels.

Claudia Währisch-Oblaus Aufsatz führt Wrogemanns Gedankenlinie fort und eröffnet damit den zweiten Teil des Sammelbandes. In ihrem Artikel Towards a Protestant Ministry of Deliverance – Experiences, Insights and Reflections from a Process of the UEM Community (187-208) zeigt Währisch-Oblau, dass die Frage nach einem protestantischen Befreiungsdienst für die VEM-Partnerkirchen kein bloßes Gedankenspiel, sondern eine Dringlichkeit darstellt. Ihr Beitrag liest sich als Versuch weite Teile der Theologie aus der epistemologischen Engführung herauszuführen und zugleich zu entprovinzialisieren. Systematisch-theologische Antworten seien hier ebenso wichtig, wie konkrete Vorschläge auf die Anfrage, wie Befreiungsdienste in der Praxis aussehen könnten. Letzteres macht Währisch-Oblau unter anderem auch mit positiver Bezugnahme auf die Handreichung der Eglise Evangelique du Cameroun deutlich, die im dritten Teil des Bandes abgedruckt ist (vgl. 277-312). Hierbei kommt sie zur Schlussfolgerung, dass die EEC-Veröffentlichung „a genuinely Protestant way of theologizing and practicing deliverance“ (203) darstellt. Aus praktisch-theologischer Sicht legt Währisch-Oblau überzeugend dar, wie der Befreiungsdienst als performative Wiederaufführung („Re-Enactment“) des Erlösungsdramas aufgefasst werden könnte.

Der Fokus auf den praktischen Umgang mit Dämonen und Hexerei vor dem Hintergrund des Diskurses um „geistliche Kampfführung“ und Befreiungsdienst findet sich auch in den Beiträgen des ghanaischen Pfingsttheologen Opoku Onyinah (209-228), des katholischen Priesters John O’Brien (229-260) und des indonesischen Theologen und Psychologen Jaharianson Saragih (261-276). Sie beleuchten jeweils die Kontexte Ghana, Pakistan und Indonesien, wobei die Autoren aus ihrer eigenen Praxis im Befreiungsdienst schöpfen.Im dritten Teil folgen schließlich Kirchendokumente, die von VEM Partnerkirchen verfasst wurden und die vorhergehenden Beiträge zusätzlich erden. Diese sind, erstens, die bereits erwähnte Handreichung der Eglise Evangelique du Cameroun, die eine seit 2012 praktizierte Form darstellt, Befreiungsdienst mit Heilungsdienst zu verbinden (227-312). Als zweites folgt eine Zusammenstellung von Empfehlungen („recommendations“), die während des VEM-Workshop Demons, Magic, Witchcraft and Deliverance erarbeitet wurde, der vom 24.-29. Oktober 2014 ebenfalls in Wuppertal stattfand  (313-314). Das dritte Kirchenpapier ist ein exemplarischer Lehrplan, der Anregungen dazu gibt, wie Dämonen- und Geisterglaube, Hexerei und Befreiungsdienst im Rahmen einer theologischen Ausbildung traktiert werden könnten (315-321).

Stellt die kontextuelle und thematische Pluralität des Bandes eine Stärke dar, wirft gerade diese Pluralität aber auch die Frage auf, inwiefern alle Beiträge denn überhaupt dasselbe Thema bearbeiten. So werden Dämonen in Markus Rosers Artikel Dämonen beispielsweise überhaupt nicht thematisiert und Scott Moreaus Beitrag weich dahingehend vom Titel des Bandes ab, das Hexerei darin keinen Ort hat. In der Frage, wo, wie und von wem diese Themen lebensweltlich verbunden werden, kann die Leserin nur erahnen – eine konkrete Standortbestimmung, die eine kontextsensible Einordnung ermöglicht, findet sich kaum. Damit wird der Band seinem Versprechen, ein globales Gespräch abzubilden, nur bedingt gerecht. Zutreffender wäre es vielleicht, von einer weltumspannenden Sammlung diverser Einzeluntersuchungen zu zentralen Schlagworte zu sprechen, die in bestimmten Forschungs- und Populärdiskursen häufig miteinander in Verbindung treten, jedoch gerade nicht ohne Weiteres als gleichwertig zu betrachten sind. Dennoch bietet der Band einen Einstiegspunkt, von dem aus explizit reflektiert werden kann, weshalb diese unterschiedlichen Schlagworte intuitiv als kohärenter Diskurs aufgefasst werden.

Insgesamt betrachtet, bietet der Sammelband eine breite Vielfalt von Perspektiven auf das Thema der Hexerei und/oder Dämonologie und fordert dazu auf, diese mit zusätzlicher Empirie anzureichern und weiterzudenken. Obwohl der Band in Englisch ist, ist Währisch-Oblau und Wrogemann dafür zu danken, dass sie sich mit dem in einem deutschen Verlag erschienen Band, darum bemühen einen weltweit an Relevanz zunehmenden Diskurs auch hierzulande zu etablieren und die Sprachlosigkeit, die in der deutschsprachigen akademischen Theologie zu diesem Themenkoplex vorherrscht, zu brechen.

 

ISBN: 978-3-643-90657-1
328 Seiten  
Preis: €34,90
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Zuletzt verändert: 29.02.2016 21:06